Tod des Altverlegers

Mit seiner Altverlegerklausel konnte sich Wolfgang Clement (SPD) nicht durchsetzen – verloren haben auch die Großverlage von WAZ bis Springer

VON STEFFEN GRIMBERG

Das WAZ-Modell bleibt bis auf weiteres, wo es hingehört: in Essen. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hatte es zwar immer wieder als erfolgreiches Beispiel angeführt, um seine Reform des besonderen Kartellrechts für die Presse zu untermauern. Doch mit dem Beispiel des Pressekonzerns, der unter dem Dach eines Verlags mehrere Titel mit teilweise sogar unterschiedlicher politischer Grundausrichtung gegeneinander antreten lässt, konnte er sich letztlich nicht einmal bei der eigenen Fraktion durchsetzen. Als sich am frühen Donnerstagabend Minister und SPD-Parlamentarier gegenübersaßen, hatte die von Clement bis zuletzt hoch gehaltene „Altverlegerklausel“ keine Chance mehr.

„Die sozialdemokratischen Eckpunkte für die Verhandlungen mit den Grünen stehen jetzt fest“, sagte der Berichterstatter im Wirtschaftsausschuss, Hubertus Heil (SPD), der taz. Die Debatte wird sich jetzt also vorrangig um Kooperationen von Verlagen in den Bereichen Verwaltung, Druck, Vertrieb und Anzeigen drehen. „Diese Kooperationen dürfen kein Placebo sein, sondern müssen signifikant wirksam werden“, so Heil. Unter diesen Bedigungen sei die SPD nun bereit, die auch innerhalb der Partei höchst umstrittene Altverlegerklausel fallen zu lassen.

Sie sah vor, dass sich Verlage unter bestimmten Umständen auch dann Zeitungstitel einverleiben konnten, wenn dadurch eine marktbeherrschende Stellung bis hin zum Verlagsmonopol entstanden wäre.

Diese Freigabe hätte vor allem den großen Medienkonzernen wie Springer, WAZ und Holtzbrinck genutzt: Sie sind durch das seit 1976 geltenden Pressefusionsrecht weitestgehend an weiterer Expansion im deutschen Zeitungsmarkt gehindert. Springer-Chef Mathias Döpfner hatte schon von neuen „Zeitungsketten“ geträumt, Michael Naumann, Herausgeber des Holtzbrinck-Flaggschiffes Zeit, im eigenen Blatt verkündet: „Rettung naht“. Der jetzige Verhandlungsstand ist so zumindest ein Etappensieg für die durch die lang anhaltende Struktur- und Werbekrise der Branche gebeultelten kleinen und mittleren Verlage. Sie machen die Mehrheit der deutschen Zeitungsunternehmen aus. Experten vom Bundeskartellamt über Journalistenverbände bis zum Verband der Lokalzeitungsverleger dagegen sind gegen Clements Entwurf Sturm gelaufen und prognostizierten eine dramatische Zunahme der Zeitungskonzentration – und damit ein Verschwinden von Pressevielfalt. Die Grünen haben sich mehrheitlich gegen eine völlige Liberalisierung der Pressefusionskontrolle positioniert.

Der nächste Streitpunkt steht in den nächsten Wochen auf der Tagesordnung: Wie sollen die erweiterten Kooperationsmöglichkeiten, die das Pressekartellrecht bislang nur in sehr engen Grenzen vorsieht, ausgestaltet werden? Schon heute leben die meisten Deutschen in so genannten Einzeitungskreisen, in denen ein lokales Pressemonopol herrscht. Klar ist aber: Eine fast völlige Freigabe der Pressefusionskontrolle wie durch die Altverlegerklausel wird es nicht mehr geben können.

Um dies zu unterstreichen, stellen wir mit dem heutigen Tag unsere beliebten Serie „Ein Zeitungskreis“ auf „flimmern und rauschen“ ein. Vorerst. Denn was forderte WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach schon im Januar zum Thema Kooperationen? „Wir müssen Schleusen öffnen.“

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