Milch-Imperium endet vor Gericht

Seit gestern steht Wolfgang Weber, der Ex-Südmilch-Chef, vor Gericht. Er soll schuld sein am Niedergang der einstmals größten deutschen Molkerei. Seiner Verhaftung entging er zehn Jahre als Rinderfarmer in Paraguay. Das Urteil wird wohl eher mild

aus Frankfurt/Main KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Wolfgang Weber (68), ehemaliger Boss der Südmilch AG, muss sich seit gestern vor dem Landgericht in Stuttgart wegen Betrugs und Untreue verantworten – mehr als zehn Jahre nach dem betrügerischen Bankrott der Südmilch-Tochter Sachsenmilch. Allein die Deutsche Bank, die die Sachsenmilch AG 1991 an die Börse brachte, verlor 32,5 Millionen Mark, als die Firma nur zwei Jahre später kollabierte. Weber, so hat die Staatsanwaltschaft eruiert, manipulierte die Bilanzen. Über Jahre soll er Mutter- und Tochterunternehmen wider besseres Wissen „gesundgeschrieben“ haben. Kurz nach der Sachsenmilch meldete auch die Südmilch AG Vergleich an. Das Milchimperium brach zusammen, Weber setzte sich bei Nacht und Nebel nach Paraguay ab.

Der passionierte Gaucho Weber züchtet im Gran Chaco Rinder und Pferde. Seine Farm ist 100.000 Hektar groß – Landeplatz für kleinere Flugzeuge inklusive. Mitte September stellte sich der mit internationalem Haftbefehl gesuchte Exmanager überraschend den Behörden. Seinem Flug nach Deutschland ging offenbar ein Deal zwischen seinen Anwälten und der Stuttgarter Staatsanwaltschaft voraus. Weber legte gestern zu Prozessbeginn gleich ein Geständnis ab. Schon am 30. Oktober will die Kammer das Urteil verkünden.

Aller Voraussicht nach wird es nicht allzu hart ausfallen. Sonst hätte der Bankrotteur und Millionenbetrüger, der über die paraguayische Staatsbürgerschaft verfügt, den Gran Chaco wohl kaum freiwillig verlassen. Im Dezember 1995 war Weber schon von der paraguayischen Polizei festgenommen worden. Doch nach nur wenigen Stunden wurde er wieder freigelassen.

Die Familie Weber verfügt in Paraguay über einflussreiche Freunde. Der Vater war gleich nach dem Krieg – wie nicht wenige führende Nationalsozialisten – in das kleine Land im Herzen Südamerikas gekommen und hatte dort für viel Geld Land gekauft. Ein „Imperium“ habe der alte Weber in Paraguay aufgebaut und dann Anfang der 70er-Jahre seinem Sohn vererbt, schrieb der Spiegel 1995. Auf „Remonia“ gingen die höchsten Militärs des lange Zeit von einer rechtsradikalen Junta drangsalierten Landes ein und aus. Weber jun. produzierte mit dem verschachtelten Unternehmen in Paraguay, das am Ende irgendwie der Südmilch AG gehörte, Scheinverluste am laufenden Band – und schrieb sie in Deutschland von der Steuer ab.

Für diesen Steuerbetrug wurde er Anfang der Achtzigerjahre von einem deutschen Gericht zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und zur Zahlung einer Geldstrafe von 2,3 Millionen DM verurteilt, durfte aber Boss der Südmilch bleiben. Weber wirtschaftete das Unternehmen herunter. Mit Bilanzfälschungen soll er das ökonomische Desaster dann verschleiert und so die Anteilseigner der Südmilch AG und die Geldgeber für die Tochter Sachsenmilch AG getäuscht haben. Kleinanleger wurden nicht geschädigt. Die Deutsche Bank nahm die von ihr emittierten Aktien wieder zurück.