Wirtschaft wächst, Arbeitslosigkeit auch

Wirtschaftsinstitute erwarten 2004 keine Wende am Arbeitsmarkt. Dennoch Lob für Hartz-Gesetze und Rentenkürzung

BERLIN taz ■ Die Wirtschaft wird im kommenden Jahr um 1,7 Prozent wachsen – zu wenig, um die Arbeitslosigkeit zu verringern. Das schreiben die Konjunkturforscher der sechs führenden Wirtschaftsinstitute in ihrem Herbstgutachten, das sie gestern in Berlin vorlegten. Sie rechnen mit 4,45 Millionen Joblosen, 50.000 mehr als dieses Jahr. Die Hartz-Gesetze seien aber „ein Schritt in die richtige Richtung“.

Die Ökonomen lobten auch eine Änderung, die auf Drängen der so genannten SPD-Abweichler ins Gesetz gelangte. Eine volle Anrechnung des Vermögens vor Auszahlung des Arbeitslosengeldes II wäre falsch gewesen, meinten die Wissenschaftler. Eine solche Regelung hätte vielen den Anreiz geraubt, für die eigene Alterssicherung zu sparen. Auch die Rentenkürzung kommt bei den Ökonomen gut an. Sie entlaste die privaten Haushalte bei den Lohnnebenkosten. Zudem stimuliere sie die Konjunktur, da Rentner weniger konsumieren als die Jungen. „Die Politik hat das kleinere Übel gewählt“, so Gustav Horn vom DIW.

Einig waren sich die Experten aber darin, dass die Hartz-Reformen nicht ausreichten, weil die Arbeitsvermittlung nicht das zentrale Problem sei. Darüber, was hilft, herrscht Uneinigkeit: Eckhard Wohlers vom HWWA wünscht sich „stärkere Lohnspreizung“ und „weniger Regulierung“. DIWler Horn hält die Nachfrage für das zentrale Problem: „Ich würde alles vermeiden, was die Kaufkraft weiter verringert“, sagt Horn in der taz.

Joachim Scheide vom IfW in Kiel prognostizierte gestern, der Lebensstandard werde ohne weitere Reformen in den kommenden Jahren deutlich sinken. „Ich kenne kein entwickeltes Land, dessen Prognose ähnlich pessimistisch ist.“ Bundesfinanzminister Hans Eichel korrigierte die Wachstumsprognose für 2003 nach unten: statt 0,75 Prozent nur noch 0,25 Prozent. URB

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