Münsterland mondän

Punkte, Party und ganz viel Parfüm. LR Ahlen schenkt Club-Boss Spikker schönes Vorspiel zur Geburtstagsfeier

AHLEN taz ■ Am Ende stand der Held aus Hollywood hinter Gittern auf dem Ahlener Kunstrasenplatz. Durch einen Zaun vor der schaulustigen münsterländischen Landbevölkerung geschützt, stand Schauspieler Ralf Möller da und wartete auf Boris Becker. Der durch den Film „Gladiator“ bekannter gewordene Ex-Bodybuilder und der Ex-Tennisstar waren nur zwei der vielen prominenten Zuschauer beim 2:0-Heimsieg des LR Ahlen gegen den MSV Duisburg. Schnell trollten sich die Celebrities weiter zu ihren Limousinen und zum eigentlichen Höhepunkt des Abends – dem 45. Geburtstag von Ahlens Club-Boss und Parfüm-Fabrikant Helmut Spikker.

Mondän im Münsterland, weite Welt in Westfalen. Das Zweitligaspiel vor 7.989 Zuschauern im Wersestadion, immerhin der erste Heimsieg der Ahlener, interessierte am Freitag Abend nur am Rande. Mäzen und Macher Spikker betrachtete die Ligapartie lediglich als Vorspiel für die große Party am Abend, zu der nicht nur Ralf Möller und Boris Becker eingeladen waren, sondern auch Barbara Becker. Und Peter Neururer. Und Howard Carpendale. Und Werner Lorant. Angeblich auch Guido Westerwelle. Die beiden letzten hätten wir gern im Smalltalk beobachtet. Aber die Presse musste draußen bleiben. Auf dem Vereinsgelände ist sie in einem Container untergebracht, symbolisch und räumlich getrennt von den wohlig riechenden VIP-Örtlichkeiten.

Der Duft-Industrielle Spikker hat den Verein als Rip-Off seines Broterwerbs geschaffen. Anfang der 1990er übernahm er den Amateurclub TuS Ahlen und machte daraus ein Produkt wie Lippenstift. LR („Lady Racine“) heißt die Firma, LR („Leichtathletik und Rasensport“) der Club. Wie beim Unternehmen (Motto: „Welcome to the World of Beauty & Success“) sind Rotweiß die Farben des ganz und gar künstlichen Vereins. Das Ambiente in der Spielstätte, das Gebaren der Fans – alles wirkt ungefähr so natürlich wie Nagellackentferner.

Obwohl die vom Ex-Weltklasse-Mittelfeldspieler Vladimir Jugovic gelenkte LR-Elf den Aufstiegsfavoriten aus Duisburg geschickt auskonterte, herrschte auf den Rängen eine triste Atmosphäre wie auf einer Messe für Herren-Düfte. Anfeuerungsrufe kann man eben nicht kaufen. Leidenschaft und Tradition sind flüchtige Ingredenzien im Fußball. Sie lassen sich nicht zusammenmixen wie in einem olfaktorischen Labor.

Als Kontrastprogramm brüllten 1.500 MSV-Fans umso lauter. Der stets auf der Kippe stehende Gästetrainer musste sich nach der dritten Saisonpleite wieder einmal wütende „Meier raus“-Rufe anhören – trotz Tabellenrang 3. Duisburgs Torwart Georg Koch diskutierte noch lange nach Spielende mit frustrierten Supportern. Die Schicki-Micki-Fans an der Werse feierten derweil bereits den Ehrentag ihres LR-Gastgebers. MARTIN TEIGELER