nebensachen aus rom
: Interkulturelle Kommunikation am Rande eines römischen Spielplatzes

Mögen die Italiener uns Deutsche nun oder nicht? An die zehn Millionen Germanen machen jedes Jahr in Italien Urlaub, und einige Hunderttausend haben, in der Toskana oder am Gardasee, mittlerweile eine feste Zweitbleibe. Die Deutschen sind begehrt, bei Hoteliers und Händlern genauso wie bei Immobilienmaklern. Schließlich kommen sie als verlässliche Umsatzbringer, die 40 Euro für ein Fläschchen Olivenöl hinblättern, ohne mit der Wimper zu zucken, die für eine lediglich aus vier bröselnden Grundmauern bestehende Ruine ohne Dach – „rustikales Landhaus“ – 200.000 Euro locker machen. Entsprechend freundlich, ja geradezu herzlich ist die Behandlung der werten Kunden.

Aber kommt die Herzlichkeit auch von Herzen? Direktes Nachfragen trägt zur Klärung wenig bei. Die Tedeschi? Prima Leute, versichern Antonio, Lucia oder Sergio. Abends, nach dem dritten Glas Wein, lässt sich Lucia dann über einen Bekannten aus. Der nerve alle mit seiner Genauigkeit und Besserwisserei, mit ebenso sturer wie humorloser Pedanterie. Richtig in Fahrt redet sie sich, dann schließt sie, die Augen verdrehend: „Insomma, è un tedesco“, kurz und gut, „er ist Deutscher.“ Das stimmt nicht einmal, denn der Nervtöter stammt zweifelsfrei aus Rom, aus rein italienischer Familie, war noch nie in Deutschland, spricht kein Wort Deutsch. Doch ob seiner Charaktereigenschaften kriegt er von seiner Landsfrau die deutsche Ehrenbürgerschaft verpasst, und die anderen in der Runde nicken zustimmend. Erst in diesem Moment erinnert sich Lucia, dass allerdings ebenfalls ein echter Deutscher mit am Tisch sitzt. Verlegen schaut sie rüber, das sei ja bloß eine Redensart und schon gar nicht gegen mich gerichtet.

Was jetzt kommt, weiß ich schon aus dem Effeff. So gut wie alle Deutschen, die halbwegs stabil in Italien leben, kennen die oft und gern gespielte Hymne: Überhaupt, ich sei ja gar kein zugeknöpfter Griesgram; sogar Humor wird mir bescheinigt. Mithin: „più italiano che tedesco“ sei ich, schon ziemlich italienisch und kaum noch deutsch. Womit wir wieder am Ausgangspunkt wären – „tedesco“ ist und bleibt eine ziemlich unangenehme Eigenschaft.

Ein bisschen stolz auf meine Herkunft darf ich aber manchmal auch sein, wenigstens auf dem Spielplatz. Gerade pfeift die römische Mutti ihren Kleinen zurück, bloß weil der im Laub wühlen will: „Schmutzig ist das, pfui!“ Dann schaut sie mich an, erklärt mit grimmig entschlossenem Blick, sie sei halt eine „mamma tedesca“. Was nun folgt, kenne ich auch schon bestens: ein pädagogischer Ausflug in die Welt von Zucht und Ordnung, von Anstand und Gehorsam. „Mamma“ als Feldwebel, das Kinderzimmer als Kasernenhof – ein solches Regiment kann nur „tedesco“ sein. Derweil turnt mein Nachwuchs durch die Pfützen, hat sich unter den missbilligenden Blicken der „mamma tedesca“ schon ziemlich eingesaut. Als die dann begreift, zu wem das verdreckte Kind gehört, schüttelt sie fassungslos den Kopf. Wie? Ich, der Deutsche, lasse so was zu? Wie lange ich denn schon hier lebe? Ach so, ihr Gesicht hellt sich auf: „Sie sind ja praktisch schon Italiener.“ MICHAEL BRAUN