SPD warnt vor Weimar in Bayern

Der ehrgeizige Sparkurs des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber animiert die verzweifelte Opposition zu Vergleichen mit Reichskanzler Brüning

MÜNCHEN taz ■ Bayern steht am Abgrund. Das Ende der Demokratie naht. Das meint zumindest die bayerische SPD, die den CSU-Ministerpräsidenten Edmund Stoiber jetzt mit dem einstigen Reichskanzler Heinrich Brüning vergleicht: Der nämlich, befindet der haushaltspolitische Sprecher der 19-Prozent-Partei SPD, Heinz Kaiser, habe am Ende der Weimarer Republik trotz mieser Konjunktur und sinkender Steuereinnahmen eine radikale Sparpolitik betrieben, die letztlich entscheidend zum Scheitern des demokratischen Systems und zum Aufstieg der Nazis beitrug. Nun ist es also Stoiber, der den Staat kaputtmacht. Tatsächlich?

Immerhin: Satte 2,5 Milliarden Euro wollen Stoiber und sein Superminister Erwin Huber schon im nächsten Jahr einsparen, mithin 10 Prozent aller staatlichen Ausgaben. Bis 2008 sollen die Ausgaben um insgesamt 15 Prozent gedrückt werden – vor allem durch eine tief greifende Verwaltungsreform, für die Huber zuständig ist. Der kündigte nach einer Klausurtagung des Kabinetts an, dass so genannte Sonderbehörden wie die Ämter für Wasserwirtschaft, Straßenbau und Gewerbeaufsicht neu geordnet oder aufgelöst werden sollen. Außerdem will sich der Freistaat aus der staatlichen Unterstützung etwa bei der Schuldner- oder Schwangerschaftsberatung zurückziehen. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Huber tritt für eine komplette „Neujustierung“ im Verhältnis zwischen staatlichen und privaten Aufgaben ein.

Sparen will die CSU-Regierung auch durch Stellenstreichungen in fünfstelliger Höhe und die Verlängerung von Arbeitszeiten im öffentlichen Dienst. Um zu zeigen, wie ernst es ihm ist, drohte Stoiber den Gewerkschaften mit einer Kündigung des Tarifvertrags im öffentlichen Dienst, wenn nicht bis spätestens Dezember seitens der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di „substanzielle Verhandlungsangebote für eine Flexibilisierung und Erhöhung der Arbeitszeit“ vorgelegt werden. Bayerns Ver.di-Chef Josef Falbisoner sprach von einer „Kampfansage“.

Doch Stoiber hat sich auch selbst unter Druck gesetzt. Wie ein Mantra hat er immer wieder verkündet, dass Bayern im Jahr 2006 ohne einen Euro neuer Schulden auskommen will. Stoiber will sich unbedingt als Macher präsentieren, der möglichst noch vor der Benennung eines Unions-Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahlen 2006 zumindest den Umriss eines modernen, leistungsstarken, schlanken Staatsapparates in seinem Heimatland präsentieren kann – als Vorbild. Doch der harte Kurs birgt Risiken. Stellenabbau und Arbeitszeitverlängerung belasten den Arbeitsmarkt, dabei steigt die Arbeitslosigkeit in Bayern ohnehin schon schneller als in jedem anderen Bundesland, und Ökonomen bezweifeln, ob ein rigider Sparkurs bei schlechter Konjunkturlage wirtschaftspolitisch sinnvoll ist.

Trotz solch düsterer Aussichten liegt Bayern allerdings in wirtschaftlicher Hinsicht immer noch an der Spitze in Deutschland und somit bleibt München weiterhin, historisch betrachtet, ungefähr so weit von Weimar entfernt wie die bayerische SPD von der Realität. Zumindest eines braucht Stoiber bei seinem Superschnellsparkurs wohl nicht zu befürchten: eine ernst zu nehmende Opposition im Landtag. JÖRG SCHALLENBERG