Schmidt will Kinderlose mehr zahlen lassen

Sozialministerin bestätigt: Nicht (mehr) Erziehende sollen eine Pauschalabgabe zur Pflegeversicherung leisten

BERLIN taz ■ Noch während der Rentensturm tobt, soll die Sozialministerin die nächste Sozialreform verkaufen: die Neuregelung – Ulla Schmidt (SPD) spricht von „Weiterentwicklung“ – der Pflegeversicherung. „Entscheidungen sind noch nicht gefallen“, erklärte Schmidts Ministerium gestern erneut und etwas gereizt. Bestätigt wurde aber, dass nach Schmidts Vorstellungen Versicherte, die gerade keine Kinder erziehen, einen Beitragszuschlag bezahlen sollen. Im Gespräch sind hier zwei Euro für alle nicht (mehr) Erziehenden oder eine einkommensgemäße Staffelung um den Betrag herum.

Außerdem soll die Pflege in Heimen unattraktiver gemacht werden, indem die Bezahlung für die stationäre Pflege in den beiden unteren der drei Pflegestufen abgesenkt wird. Künftige Heimbewohner mit den Pflegestufen eins und zwei bekämen demnach ein Drittel bis über die Hälfte weniger Geld als heutige Heimbewohner.

Dafür sollen 60.000 Demenzkranke erstmals Pflegeleistungen erhalten. Alle Leistungen sollen ab 2007 „dynamisiert“, also der Lohnentwicklung angepasst werden. Erstmals soll so genanntes Case Management erprobt werden, das heißt, dass Pflegebedürftige individuelle Pflegekonten bekommen.

Diese Punkte sollen in den kommenden zwei bis vier Wochen in den Fraktionen diskutiert und dann zu einem Gesetzesentwurf ausformuliert werden. Sie entsprechen weitgehend den Vorschlägen der Rürup-Kommission – allerdings mit einem entscheidenden Unterschied: Die Bildung eines Kapitalstocks ist von Schmidt nicht mehr vorgesehen.

Rürups Reformrunde hatte vorgeschlagen, von den Rentnern mehr Beiträge zu nehmen. Davon sollten Rücklagen für die heute Jüngeren gebildet werden. Da die Rentner nun jedoch schon ihre ganzen 3,4 Prozent Pflegeversicherung zahlen sollen – und nicht mehr nur den Arbeitnehmeranteil von 1,7 Prozent –, heißt es, sei ihnen unmöglich mehr zuzumuten.

Die öffentlche Debatte wird sich zunächst einmal damit befassen, ob nicht Erziehenden eine Sonderabgabe zuzumuten ist – insbesondere solchen, deren Kinder schon groß sind. Hier kann sich Schmidt jedoch getrost auf das Pflegeurteil des Bundesverfassungsgerichts vom April 2001 stützen. Das Gericht verlangte, Eltern bis spätestens 31. Dezember 2004 bei der Beitragszahlung besser zu stellen als Kinderlose. Dies bezog sich ausdrücklich auf aktuell erziehende Eltern, denn Eltern erwachsener Kinder seien ebenso wie Kinderlose „darauf angewiesen, dass genug Kinder nachwachsen, die in Zukunft Beiträge zahlen und ihre Pflege finanzieren“. ULRIKE WINKELMANN