Kohlelobby auf Konfrontation

Mit einer millionenschweren Kommunikationskampagne will RAG-Chef Werner Müller der Steinkohle Subventionen für die nächsten Jahrzehnte sichern – doch in der Politik wächst der Widerstand

VON ANDREAS WYPUTTA

Geht es um Werbung für sein Unternehmen, liebt Werner Müller Professionalität: Mit ganzseitigen Anzeigen in Bild, WAZ und Süddeutscher Zeitung lässt der Ex-Bundeswirtschaftsminister des ersten Kabinetts Schröder derzeit für den letzten verbliebenen deutschen Steinkohleförderer RAG und sein Tochterunternehmen Deutsche Steinkohle (DSK) werben. „Die Rohstoffkrise verheizt den Mittelstand“, heißt es staatstragend vor schwarz-rot-goldenem Hintergrund. Danach kommt die RAG, Nachfolger der ehemaligen Ruhrkohle AG, schnell zur Sache: „Gefordert“ wird eine „stabile und zuverlässige Rohstoff- und Energieversorgung“. Und dazu gehöre, natürlich, auch „unsere Kokskohle“.

Auch sonst lässt sich Müllers „Vorstandsbereich Vorstandsbüro/Unternehmenskommunikation“ nicht lumpen: Gerade im Ruhrgebiet unterstützt die RAG alles, was Werbewirkung verspricht. Ob Kulturfestivals wie Ruhrfestspiele, Ruhrtriennale oder die Bewerbung des Ruhrgebiets zur europäischen Kulturhauptstadt – der subventionsabhängige Steinkohleförderer ist immer mit dabei. Jüngster Höhepunkt: Die Uraufführung der 180 Jahre alten Oper „Der Onkel aus Boston“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Gerade „in Zeiten sich leerender öffentlicher Kassen“ seien die exklusiven Veranstaltungen „Teil des Selbstverständnisses, gerade dort Werte zu schaffen, wo wir zu Hause sind“, verkündet der parteilose, aber der SPD nahe stehende Müller stolz.

Für leere öffentliche Kassen sorgt die RAG allerdings auch selbst gern. Nach dem im Frühjahr von SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder verkündeten Kohlekompromiss steht dem Essener Mischkonzern, der auch über Beteiligungen etwa an dem Chemiespezialisten Degussa oder dem Kraftwerksbetreiber Steag verfügt, bis 2012 allein aus Bundesmitteln Subventionen von über 13.000 Millionen Euro zu – das Land NRW ist mit weiteren drei Milliarden dabei.

Gerade in der Landespolitik wächst deshalb der Widerstand gegen die RAG-Kampagne. Christian Weisbrich, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, spricht von einer „bewussten Irreführung der Öffentlichkeit“: Nie wieder könne die Steinkohle hierzulande zu Marktpreisen gefördert werden, glaubt er – während in den großen Steinkohle-Tagebauen Australiens und Südafrikas ein Bergmann statistisch gesehen 16.000 Tonnen pro Jahr fördert, erreicht die deutsche Belegschaft, die dünne Flöze in Tiefen unter 1.000 Meter abbaut, nicht einmal fünf Prozent dieser Leistung. Auch das Argument der Versorgungssicherheit lässt Weisbrich nicht gelten: „Die größten Steinkohlereserven liegen in geostrategisch nicht gefährdeten Gebieten.“ Die Konsequenz der CDU: Die Christdemokraten wollen die Kohleförderung schon bis 2010 von derzeit jährlich 26 auf 13 Millionen Tonnen halbieren. Schröders Kompromiss sieht eine Förderung von 16 Millionen Tonnen 2012 vor. „Weitere Subventionen gibt es nicht“ – wie Politiker selbst der SPD weist Weisbrich RAG-Forderungen nach staatlicher Unterstützung für eine neue Kokskohlenzeche zurück.

Auch in der Koalition sorgt Müllers Öffentlichkeitsarbeit für neue Spannungen. Wie Weisbrich und FDP-Wirtschaftsexperte Gerhard Papke fordert auch Reiner Priggen, energiepolitischer Sprecher der Grünen, Subventionen zurück. Die Rechnung: Den staatlichen Zahlungen liegt ein Importpreis von 40 Euro pro Tonne zugrunde – im Jahresdurchschnitt dürfte die Tonne aber rund 55 Euro erzielen. Insgesamt müsste die RAG damit über 390 Millionen Euro zurückzahlen, allein der Landeshaushalt dürfte um rund 78 Millionen Euro entlastet werden. Priggen geht sogar noch einen Schritt weiter: Der Abgeordnete will mit einer kleinen Anfrage an die Landesregierung herausfinden, ob die 500.000 Euro allein für die drei Zeitungsanzeigen aus öffentlichen Mitteln stammen. „Ich will wissen, wer die Propagandaoffensive bezahlt.“