Bitterer Beigeschmack

Wegen der Reform der EU-Zuckermarktordnung sehen Rübenbauern ihre Existenz gefährdet. Ministerin kritisiert das Festhalten am alten System

Die Bauern werden sich fragen, ob sie noch Zuckerrüben anbauen sollen

VON ULLA JASPER

Wenn Nordrhein-Westfalens Zuckerrübenbauern in diesen Tagen ihre Ernte einfahren, könnte es für viele Bauern das letzte Mal sein. Denn die Rübenproduzenten fürchten um ihre Existenz, da die EU im Zuge der Reform der Zuckermarktverordnung Subventionen kürzen und den künstlich angehobenen Zuckerpreis um ein Drittel senken will.

Sollten die Reformpläne der EU in Kraft treten, würden die Bauern bis zu 50 Prozent ihres Einkommens verlieren, so Matthias Quas, Referent für pflanzliche Produkte beim Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband: „Viele der 7.800 nordrhein-westfälischen Zuckerrübenbauern werden sich fragen, ob sie überhaupt noch Zuckerrüben anbauen sollen.“ Er befürchtet darüber hinaus, dass dies langfristig auch die rund 2.000 Arbeitsplätze in den sechs nordrhein-westfälischen Zuckerfabriken gefährden werde.

Mit den „drastischen Reformen der EU-Kommission“, so Quas, werde ein Marktsystem abgeschafft, das sich seit 30 Jahren bewährt habe - allerdings auf Kosten der Verbraucher, wie die EU findet. Denn der von der EU gezahlte Garantiepreis für Zucker liegt dreimal so hoch wie der Weltmarktpreis und soll deshalb stufenweise von derzeit 632 Euro auf 421 Euro pro Tonne Weißzucker abgesenkt werden. Außerdem soll die von den europäischen Bauern produzierte Zuckermenge innerhalb der nächsten vier Jahre von 17,4 Millionen Tonnen auf 14,6 Millionen Tonnen reduziert werden.

Doch Lobbyist Quas weist die Einwände aus Brüssel zurück. „Wenn der EU-Preis auf Weltmarktniveau abgesenkt wird, dann wird es hier keine Zuckererzeugung mehr geben.“ Man könne die europäische Zuckerproduktion nicht vergleichen mit der Produktion in anderen Ländern. „Bei uns gibt es hohe Produktionsstandards, das fängt doch schon an mit den Pestiziden, die eingesetzt werden dürfen und hört auf bei Löhnen und Arbeitnehmerrechten.“ Geringere Zuckerpreise würden außerdem kaum an die Endverbraucher weiter gegeben, denn Firmen wie Coca-Cola kalkulierten ihre Preise nicht nach den Rohstoffen und Herstellungskosten, sondern nach dem, was der Endverbraucher zu zahlen bereit sei.

Im Düsseldorfer Landwirtschaftsministerium hat man für die Äußerungen der Rübenproduzenten wenig Verständnis. „Die WTO hat klar gesagt, dass die Zuckermarktordnung der EU nicht vertragsfähig ist und geändert werden muss. Daran führt kein Weg vorbei, ob das einige wollen oder nicht“, so Ministerin Bärbel Höhn (Grüne) zur taz. Zwar sei es wichtig, dass die Bauern Planungssicherheit hätten und die Reform der Marktordnung nicht zu schnell durchgeführt werde. Doch sei die Diskussion um den Zuckerpreis verfrüht. Die EU habe zwar Vorschläge gemacht, wie die Zuckermarktordnung reformiert werden solle, doch fehlten bisher konkrete und verlässliche Berechnungen zum Zuckerpreis, so die Ministerin.

Anstatt am alten System festzuhalten, sei es notwendig, neue Absatzmöglichkeiten für die Bauern zu schaffen, um auf diese Weise ihre Lebensgrundlage zu erhalten. „Wir müssen politische Rahmenbedingungen schaffen, um alternative Absatzmärkte für die Zuckerrübenproduzenten zu eröffnen“, so Höhn. Gerade angesichts des hohen Ölpreises müsse man versuchen, vermehrt biogene Kraftstoffe als Energielieferant einzusetzen: „Der Einsatz von Zuckerrüben als Biokraftstoffe bietet ein enormes Wachstumspotential, das zu einer Minimierung des CO2-Ausstoßes im Autoverkehr beitragen und uns unabhängiger vom Öl und seinen steigenden Preisen machen würde.“