„Kraut“ tourte durch die Republik

In 92 Tagen besuchten Berliner Künstler 20 Städte. Und ließen jeden etwas schreiben

Letzter Tag der mobilen Speakers Corner an der Schlossbrücke in Mitte. Die Freien Künstler und ihre Lokalzeitung Kraut packen ein. Hinter sich haben sie eine 92 Tage lange Tour quer durch die Republik – und die Gedanken ihrer Bewohner. Christian Lagé und seine Mitstreiter wollten in 20 Städten Unentdecktes entdecken: Die Erfahrungen, Nöte, Ziele und Wünsche von Passanten, Touristen und Neugierigen. Gefunden haben sie in Konstanz einen Obdachlosen, der Bürgermeister werden will, in Hoyerswerda eine Bürgerinitiative, die gegen den Rückbau von Plattenbauten agitierte. Die Künstler von Kraut hatten nie den Anspruch, objektiv zu sein. Sie wollten in den Ecken der Gesellschaft nach unerhörten Bedürfnissen wühlen, ein neues Bild zeichnen.

Lichtenberg war die erste Station. Unsichere Rentner trafen sie, mit seltsamer Zuversicht: „Klar, wenn man einen Krieg und eine Diktatur erlebt hat, ist man wahrscheinlich ziemlich abgehärtet“, sagt Lagé. Meist zogen sie bei der Aufgabe, eine gefühlte Grenze durch Deutschland zu zeichnen, den Trennstrich zwischen Nord und Süd denn zwischen Ost und West.

Letzte Station: wieder Berlin. In Mitte trafen die Künstler vor allem Touristen: Günni, in Berlin auf Klassenfahrt, schrieb in Kraut, dass die Politiker im Reichstag hinter dem Glas aussehen wie Fische. Und ein(e) L. K. zog das Fazit: „Berlin ist bezaubernd zum Kotzen schön scheiße!“ LENA VON SEGGERN

Ausstellung zum „Kraut“-Projekt noch bis 23. 10. im Studio SÜD (Kreuzberg)