palastrevolte
: Cave, Frau Weiss, SED ante portas

In der vergangenen Woche hat sich unsere Kulturstaatsministerin Christina Weiss in demokratischer Besorgnis sehr kritisch mit dem Titel der gegenwärtigen Palastzwischennutzung befasst. Der ironisch überhöhte Begriff „Volkspalast“ verhelfe der SED-Propaganda zu einem verspäteten Sieg, ließ die Ministerin mitteilen. Aus ihrer Sicht ist der Palast der Republik nämlich weder jemals ein Volkspalast noch überhaupt ein Palast der Republik gewesen. Lediglich den Begriff „Scheinparlament mit Bowlingbahn“ ließ sie gelten und regte zur Aufklärung nun eine international kuratierte Ausstellung über den Palast an. Nicht nur, weil wir befürchten, dass sich die Anziehungskraft der Geschichte von Erichs Lampenladen auf internationale Kuratoren in recht überschaubaren Grenzen halten wird, möchten wir unsere Ministerin an dieser Stelle beruhigen. Im Rahmen der Musikmesse Popkomm 2004 hatte nämlich eine Firma den Palast gemietet, die kaum sozialismusverdächtig ist: das Unternehmen T-Mobile nämlich. Statt in Volkspalast-Orange prangte ein enormes Transparent in pink mit der Aufschrift „Volksmusic“ an der Fassade. Unter diesem Titel gab’s für Fachbesucher, Journalisten und so genannte Opinionleader Label-Partys zu angesagten Plattenfirmen wie Fine F.U.N. oder Stereo Deluxe, um SoundLogos und Klingeltöne zu promoten. Insofern könnte man die Ministerin auch fragen, ob sie am Ende nicht die Einzige ist, die sich von SED-Propaganda noch ansprechen lässt. Alle anderen sind längst damit beschäftigt, deren längst kompostierte Reste werbestrategisch weiterzuverwerten und auf diesem Weg viel wirksamer zu neutralisieren. Bei den Pink-Parties ging es übrigens auch nicht anders zu als auf ähnlichen Volkspalast-Veranstaltungen. Hippes Publikum, gute Musik, futuristisches Ambiente. Ab und zu wurde ein Promi gesichtet. So gesehen könnte die übernächste Volkspalast-Veranstaltung „Sportification“ auch als Underground-Image-Projekt irgendeines Sportartikelherstellers durchgehen (und wird auch von Adidas gesponsert). Die Veranstalter, das junge Event-Planungsbüro Complizen aus Halle, versprechen eine Synthese aus radikalem Sport, Musik, Sprayen und urbanem Raum. „Junge Sportarten“ wie DiscGolf und Skateboarding sollen im Vordergrund stehen. Am Samstag findet als Höhepunkt im Foyer ein internationaler BMX-Flatland-Contest statt. Als Werbeveranstaltung für die knappste Ressource der westlichen Industriegesellschaften, die Arbeit, kommt auch Ulrich Rasches Musik-Projekt „Singing!“ daher, das anhand alter Arbeiterlieder der Frage nachgeht, was das Arbeiterlied uns heute noch über Werte und Bedeutung von Arbeit vermitteln kann. Zwanzig Schauspieler und vierzig Sänger werden seine alten Werte mit unseren neuen Zeiten konfrontieren. Vermutlich wird hier abermals auch einst von der SED verwendetes Propagandamaterial zum Einsatz kommen. Kulturstaatsministerin aufgepasst!ESTHER SLEVOGT