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: Kühe müssen draußen bleiben

Um seinen Getränkesponsor Coca-Cola zu schützen, verbietet die Fifa bei der Fußball-WM 2006 den Ausschank von Milch

Bei Lichte betrachtet war doch schon immer klar, dass das nichts werden kann mit all den Kühen und der Fußball-WM in Deutschland, man musste ja nur mal ein bisschen nachzählen. So zum Beispiel: Eine gute deutsche Kuh, so steht es nicht nur in der ran-Datenbank, gibt pro Tag rund 20 Liter Milch. Ein guter deutscher Fußball-Fan säuft, so ergab eine interne taz-Schätzung, rund zweieinhalb Liter Bier pro Fußballspiel. Ein ordentliches deutsches WM-Stadion wiederum, so sagt es Franz Beckenbauer, bietet Sitzplätze für zwischen 44.000 (Leipzig) und 76.000 (Berlin) Fans. Also: Sollten all die Fußball-Fans ihren Durst während eines Spiels bei der WM 2006 mit einer frisch gezapften Milch zu löschen gedenken (was nicht unbedingt die Regel ist, aber schon mal vorkommen kann), wären dafür ergo 110.000 (Leipzig) bzw. 190.000 Liter (Berlin) vonnöten, was in Kühe umgerechnet 9.500 für Berlin bzw. 5.500 für Leipzig ergäbe. Dass es da recht schnell viel zu eng wird im Stadion, ist nun wirklich nachvollziehbar (zumal die Weide unten schon anderweitig besiedelt wird), weshalb dem Internationalen Fußball-Verband (Fifa) ausdrücklich gratuliert werden muss zu seiner mehr als klugen Entscheidung. Bei der WM 2006 in Deutschland wird es für Kühe nämlich heißen: Wir müssen draußen bleiben.

Das hat, wie ziemlich unschwer zu erkennen ist, gleich mehrere wertvolle Vorteile: 1.) Es gibt genügend Platz in den Stadien. 2.) Es riecht nicht fortwährend nach Stall. 3.) Mist wird ausschließlich auf dem Rasen produziert (vor allem wenn dort Deutschland spielt). 4.) Die internationale Getränkeordnung für WM-Stadien kann mühelos auch in Deutschland eingehalten werden. Die lautet: Alles, was zum Ausschank kommt, muss auch wirklich frisch sein und nicht etwa ultrahocherhitzt und zuvor mühsam haltbar gemacht. Beispiele: Bier! Fließt immer kühl aus seiner natürlichen Quelle, dem Zapfhahn. Dito: Coca-Cola. Hingegen Milch: Spritzt schon aus dem Euter ranzig warm und somit halbwegs verdorben. Nicht auszudenken, was passieren könnte, wenn so ein Vieh zuvor eine Halbzeit lang in der prallen Sonne im Stadion steht.

Da muss man einfach verstehen, dass die Fifa ihre für Frische bürgende Sponsoren fürs Getränke-Catering schützt. Zumal sich Coca-Cola, offizieller Fifa-Partner für „alle alkoholfreien Getränke“, diesen Schutz ganz schön was kosten lässt, 50 Millionen Euro nämlich. Dafür hat Coca-Cola u. a. das Recht erworben, dass während der WM in und um die Stadien ausschließlich frisches Zuckerwasser ausgeschenkt werden darf – nie und nimmer aber lauwarme Milch. Deren Verkauf, das hat die deutsche Zentrale des Brause-Konzerns gerade bestätigt, ist jedenfalls strengstens unzulässig.

Allerdings naht, wie für alle Randgruppen, zum Beispiel jene der Nikotinsüchtigen, auch für die Molkeabhängigen bereits Rettung. Münchens Wirtschaftsreferent Reinhard Wieczorek hat die durchaus glorreiche Idee geboren, „Fifa-freie Zonen“ einzurichten. In diesen, so des Referenten Plan, hätte der Kicker-Weltverband und somit auch Coca-Cola keine Gebietshoheit – und die Fans könnten dort entsprechend tun und lassen, was sie wöllten – und sei es auch nur, sich ein Becherchen Milch zu melken.

Wie das bei der WM in der Praxis aussähe, ist unterdes leicht vorherzusagen: Bleichgesichtige Männer und Frauen strömen während der Halbzeitpause von ihren Sitzplätzen in eigens dafür ausgewiesene Stadionecken. Von dort, verborgen hinter hohen Mauern, sieht man nur noch grauen Qualm aufsteigen und hört zeitgleich das glückliche Muhen einer eutermassierten Kuh. Dann, eine gute Viertelstunde später, strömen die Menschen sichtlich zufrieden zurück ins Stadion-Interieur. Längst erscheinen sie nicht mehr so kränklich blass. Und manche tragen sogar ein lustiges Milchbärtchen. FRANK KETTERER