Und es war nur ein Kataströphchen

Vor fünf Jahren strandete der brennende Holzfrachter „Pallas“ vor der Nordseeinsel Amrum. Die Havarie löste die bislang größte ökologische Katastrophe im Wattenmeer aus. Die Konsequenzen, die daraus gezogen wurden, sind halbherzig

„Da hatten wir das, wovor wir uns am meisten fürchteten“

aus Amrum Heike Wells

54°32‘54“ Nord, 8°17‘22“ Ost: An dieser Stelle in der Nordsee liegt es, Deutschlands vielleicht prominentestes Wrack. Die Überreste des Holzfrachters „Pallas“, der am 29. Oktober 1998 vor der Nordsee-Insel Amrum strandete, sind ordnungsgemäß eingetragen in den Seekarten der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, wie manch anderes Schifffahrts-Hindernis in diesem schwierigen Seegebiet. Doch mehr als alle Havarien zuvor ist die der „Pallas“ für die Menschen an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste zum Symbol geworden für die Gefahren, die ihrer Heimat durch die Schifffahrt drohen.

Der Amtsvorsteher der 2.300-Einwohner-Insel, Jürgen Jungclaus, hatte das Unglück kommen sehen: Hilflos beobachtete er vor fünf Jahren vom Amrumer Leuchtturm aus, wie das immer noch brennende, menschenleere Schiff einem rauchenden Ungeheuer gleich herantrudelte. „Da hatten wir das, wovor wir uns am meisten fürchteten“, erinnert er sich.

Von jeher fürchten die Amrumer, dass ihr exponierter Sandstrand am Übergang zwischen Wattenmeer und hoher See durch die Havarie eines Schiffes mit gefährlicher Ladung zur Ölwüste oder Chemiehalde wird. Alle nordfriesischen Inseln und Halligen starteten nach den Ereignissen von 1998 ein Engagement für mehr Sicherheit im Schiffsverkehr, das bis heute anhält.

Und sie können Erfolge verbuchen: Ein Havariekommando, das die verschiedenen Kompetenzen von Bund und Ländern bündelt, hat Anfang dieses Jahres in Cuxhaven seine Arbeit aufgenommen, wenn auch zunächst nur im „vorläufigen Wirkbetrieb“, wie der Sprecher der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste (SDN), Hans von Wecheln, die behördliche Sprachregelung zitiert. Die Präsenz des Hochseeschleppers „Oceanic“ in der Deutschen Bucht ist bis mindestens Herbst 2005 gesichert, und nachdem erst vor wenigen Tagen der Streit um die Ausschreibung für einen Schlepper beigelegt wurde, kann auch dieses Projekt auf den Weg gebracht werden, lobt von Wecheln.

Aber es bleibt einiges zu tun, meinen Küstenvertreter und Umweltverbände, darunter auch der WWF (World Wide Fund for Nature). Denn das Havariekommando ist aus ihrer Sicht nicht mehr als ein erster Schritt hin zu dem Ziel, das sie für unabdingbar halten: eine deutsche Küstenwache mit weit reichenden Kompetenzen. Dieses Anliegen wird denn auch ganz oben stehen auf der Tagesordnung des „Pallas“-Tages, zu dem die Insel- und Halligkonferenz für den 29. Oktober nach Rantum auf der Nachbarinsel Sylt eingeladen hat.

Neben handfesten Forderungen aber soll der Erinnerungstag auch dem Vergessen entgegenwirken. Die Amrumer können ohnehin nicht vergessen: Das mit Sand und Steinen verfüllte Wrack der „Pallas“ ist bei klarem Wetter noch heute von der Südspitze ihrer Insel zu sehen. Die Unglücksstelle zwei Seemeilen südwestlich liegt am Rande einer der am stärksten befahrenen Wasserstraßen der Welt: Rund 80.000 Schiffsbewegungen pro Jahr werden hier verzeichnet.

Viele Tanker sind darunter, gegen deren Ladung die 60 Tonnen Treibstoff und Schmieröl der „Pallas“ nicht mehr sind als ein Tropfen in einem schmierigen Meer. Aus dem „Kataströphchen“, als das eine deutsche Wochenzeitung die Havarie damals bezeichnete, könnte beim nächsten Mal eine Katastrophe werden, betont Hans von Wecheln: Wenn nicht ein Frachtschiff mit harmloser Holzladung, sondern ein Öl- oder Chemikalientanker in der Nordsee ins Trudeln gerät.