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: Und heute mal bodenloses Witzeniveau: Zu Besuch in der Rat-Pack-Show

Der liebe Gott hat von Walter Matthau ja noch einen zweiten Versuch gewagt: Er hat ungefähr 50 Jahre später einen reizenden Kasselaner aus meinem Bekanntenkreis geschaffen, den man durchaus als die gelungenere Matthau-Variante betrachten könnte, er ist im ganzen zarter, mit nicht ganz so fleischigen Gesichtsattributen, und ich würde sagen, das hat der liebe Gott beim zweiten Mal eleganter gelöst. An anderen Wesen hat er sich nur einmal ausgetobt.

Dean Martin und Frank Sinatra zum Beispiel sind ein für alle mal tot und wahrscheinlich auch schon verwest, obwohl, im Falle Dean Martins kann ich mir diesen blöden Witz einfach nicht sparen, Alkohol konserviert, harhar. Bodenloses Witzeniveau soll nämlich ausnahmsweise mal das Stichwort sein. Wie verdammt prima Dean Martin, oder besser noch ein Dean-Martin-Double samt besoffenen One-Linern, Schwof-Gags und dem in der feisten Faust festgeklebten Glas Bourbon in diese schöne Stadt passt, das merkt man erst, wenn man sich die Rat-Pack-Show im Schiller Theater anguckt, die einem – wenn man ehrlich ist – ja schon dadurch suspekt werden müsste, dass sie im U-Bahn-Fernsehen beworben wird.

Das Theater ist fast voll, überall sitzt das tiefe Westberlin und hat sich richtig vorweihnachtsmäßig aufgebrezelt, Lurex über Körperwülste gestrafft und die Brille geputzt, bis sie glitzert. Gute amtliche Berliner Laune haben die Las-Vegas-Fans, das merkt man gleich, als sie sich beschweren, dass sich jemand auf einen (ebenfalls freien) anderen Platz setzt, als auf dem Ticket steht. Ja, wo komm wa denn da hin?! Jenau, da woll’n wa gar nich hin. Wir wollen Entatähnment und Lieder, die wir kennen. So wie „Volare“ oder, natürlich, und damit kommen wir zu dem Aspekt, der die Dean-Martin- und Frank-Sinatra-Doubles so ungemein in diese Stadt passend macht: „New York, New York“. Denn wenn wir uns recht erinnern, sang das schon mal ein anderer Berliner Lieblingsbesoffener, auf Deutsch versteht sich, einer, dessen Geist sozusagen über jedem Witz und über jedem Whiskeyglas schwebt, das das Rat Pack leert (Martin in „Pennies form heaven“: Every time it rains, it rains Bourbon from heaven): Berlin, Berlin, ach ja, unser Harald, der war ja zu seinen besten Zeiten auch ein richtijer Entatähner. Showqualität Las-Vegas-Style, Berlinniveau. Fast so spitzzüngig wie die Originale. Fast.

Die Doubles sind leider auch nur fast so spitzzüngig wie die Originale. Haben sich zwar wirklich die schönsten Songs ausgesucht und reißen in einer Tour Witzchen: „Frank? Is it Frank? You white guys all look the same to me.“ (Sammy Davis Jr. zu Frank Sinatra am Bühnenrand). Oder Sinatra, der „Love ist just a glance away, a lovely pair of pants away“ in seinen „Strangers in the night“-Hit einbaut. Doch richtig befreit kichert der Berliner erst beim drauffolgenden „Jabbadabbadu, dadudadada“ los, ein Witz eher nach seinem Geschmack. Versteht man auch viel besser.

Trotzdem passt das Vielgequatsche, das Hits heruntercroonen, diese echte Elternmusik zu Berlin wie Möbel Hübner. Auch die Aftershow-Bar übrigens dürfte nicht anders sein: In der spärlich besuchten und mit einem kruden Mix aus Trompeten, gemalten Frank-Sinatra-Impressionen und verqualmten Schulle-Kneipen-Inventar vollgestellte Rat Pack Lounge in Kreuzberg 61 (so hieß dit früher!), in der so etwas wie „Terrorgruppe“ läuft und man sich dazu mit seinem Jamaica-Rum-Verschnitt zurücklehnt, würde sich bestimmt auch Juhnke wohlfühlen. Und das Dean-Martin-Double. Vielleicht sogar Dean Martin selbst. Käme ganz auf die Abfüllung an. JENNI ZYLKA