In Abwägung aller Interessen

Das Hamburger Landgericht hatte über die Anordnung von Sicherungsverwahrung für einen Sexualstraftäter zu urteilen – und zeigt sich in seiner Urteilsbegründung bemerkenswert unaufgeregt

Es besteht Hoffnung, bei dem Mann könnte eine Therapie wirksam sein

VON FRIEDERIKE GRÄFF

Es war, ein wenig pathetisch gesprochen, ein guter Tag für die Rechtssprechung. Das Hamburger Landgericht hatte am Donnerstag darüber zu entscheiden, ob ein dreifacher Vergewaltiger zu anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt werden sollte. Nachdem der heute 28-Jährige zunächst zu elf Jahren Haft ohne die Möglichkeit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden war, hatte die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt und eben dies gefordert.

Der Bundesgerichtshof hatte den Fall daraufhin zur Neuverhandlung nach Hamburg zurückverwiesen. „Die Frage hat uns sehr lange beschäftigt“, sagte nun der Vorsitzende Richter am dortigen Landgericht. Angesichts der komplizierten Abwägung kaum erstaunlich – zumal in einer Zeit, in der Sicherungsverwahrung leicht als Allheilmittel in der Auseinandersetzung mit Sexualstraftätern gilt.

Das Landgericht hat den Angeklagten nun zu zehn Jahren und sechs Monaten Haft mit dem Vorbehalt der Sicherungsverwahrung verurteilt. „Ich werde Ihnen die Gründe in der gebotenen Deutlichkeit erläutern“, sagte der Vorsitzende Richter an den Angeklagten gewandt, der ihm aufmerksam und äußerlich regungslos zuhörte. Was folgte, war zunächst die Schilderung der drei Vergewaltigungen, die noch einmal deutlich machte, dass die Folgen für die Opfer, die als Nebenklägerinnen auftraten, im Wortsinne lebenslang sind. „Ihr Leben wird nicht wieder das Gleiche sein“, sagte der Vorsitzende Richter.

Der Angeklagte hatte 2005 und 2006 innerhalb weniger Monate drei Frauen in Hamburg brutal vergewaltigt, sie dabei teils gefesselt und ihnen Taschen oder Tüten über den Kopf gestülpt. „Das muss demütigend sein“, hatte er im Anschluss zu seinem ersten Opfer gesagt, ein anderes als „Schlampe“ beschimpft. Alle drei hatte er bedroht, über die Tat zu schweigen, so dass das erste Opfer tatsächlich nicht zur Polizei ging – was sich die Frau nach den weiteren Vergewaltigungen bitter vorwarf.

Tiefe Einschnitte bedeuteten die Taten für alle drei Opfer: Eine Frau geht nicht mehr unbegleitet in die Öffentlichkeit, eine leidet unter starken Angstzuständen, die Dritte ist arbeitsunfähig, kann ihr Kind nicht mehr betreuen und wurde aufgrund der Belastung der Beziehung nach der Tat von ihrem Partner verlassen. Die Entschuldigung des Täters haben die Opfer zurückgewiesen. Der hatte in der Verhandlung beklagt, dass „schlimmere Täter“ als er – nämlich „Kinderficker“ – mit geringeren Strafen davonkämen.

Juristisch spielt das insofern eine Rolle, als fortbleibende Schäden bei den Opfern ein Faktor für die Anordnung von Sicherungsverwahrung sein können. Der Vorsitzende Richter begründete diese mit dem „Hang“ zu erheblichen Straftaten, der beim Angeklagten zweifelsfrei gegeben sei: Dieser habe in einer positiven Lebenssituation aufgrund minimaler Kränkungen – dem guten Verhältnis zwischen Verlobter und Nachbarin, durch das er sich ausgeschlossen fühlte – die ihm zur Last gelegten Vergewaltigungen begangen. Und das mit zunehmend stärkeren sadistischen Zügen.

Dennoch verhängte das Gericht die Sicherungsverwahrung nur als Vorbehalt, der vor einer möglichen Entlassung geprüft wird: Der Täter sei relativ jung, bislang strafunauffällig festgestellt, und die Gutachter hätten keine Persönlichkeitsstörung, sondern lediglich eine „Akzentuierung“ einer narzistisch-dissozialen Persönlichkeit. Noch besteht da also die Hoffnung, dass bei dem Mann eine Therapie wirksam sein könnte. Um die soll sich der Angeklagte bereits gekümmert haben.