„Cap Anamur“ dreht bei

Flüchtlingshilfe-Organisation wählt neue Vorsitzende. Die verspricht, keine spektakulären Rettungsaktionen mehr zu starten. Ex-Chef Bierdel scheidet „ohne Groll“. Neudeck schweigt

VON DANIEL SCHULZ

Cap Anamur will zurück zu den guten alten Zeiten. Mit der Wahl der neuen Vorsitzenden Edith Fischnaller wird die Organisation keine spektakulären Rettungsaktionen mehr starten. „Die Wahl ist eine Richtungsentscheidung“, sagte Fischnaller der taz. „Der Verein konzentriert sich wieder mehr auf seine Hilfsprojekte.“

Mehr Teamarbeit solle es in Zukunft ebenfalls geben. Fischnaller wird ihr Amt im Gegensatz zu ihrem Vorgänger Elias Bierdel nur ehrenamtlich ausüben, dafür übernimmt Cap-Sprecher Bernd Göken als hauptamtlicher Geschäftsführer viele Aufgaben. Und stellt schon mal in Frage, ob die Hilfsorganisation in Zukunft noch ein eigenes Schiff braucht.

„Wir werden das diskutieren müssen“, sagte Göken. Es gebe zwar Gespräche, dem UN-Flüchtlingshilfswerk bei Transporten auszuhelfen, aber sicher sei noch nichts. Derzeit liegt die Anfang des Jahres für 1,8 Millionen Euro gekaufte „Cap Anamur“ noch immer in Italien fest. Göken sieht allerdings „Tendenzen, dass wir sie bald freikriegen“.

Davon ist Ex-Chef Bierdel überzeugt. „Diese Sache wird sich wie alle anderen Anschuldigungen gegen uns sehr bald erledigen“, sagte er der taz. Bierdel unterlag Fischnaller bei den Vorstandswahlen am Sonntag mit einer gegen sieben Stimmen. Fischnaller wollte nach eigenen Worten „zurück zur Projektarbeit und mehr Beständigkeit“.

Bierdel sagte der taz, er habe ein „Konzept der radikalen Humanität“ vorgestellt, bei dem man auch „einmal gegen gewisse Autoritäten handeln muss“. Der Verein habe sich eindeutig gegen sein Konzept entschieden, und das ist „in dieser Klarheit auch okay“, sagte Bierdel. Der gelernte Journalist wird sich einen neuen Job suchen und Cap Anamur „ohne Groll verlassen“. Bierdel sagte, dass seine früheren Differenzen mit Cap-Anamur-Gründer Rupert Neudeck nicht zu seiner Abwahl geführt hätten.

Bierdel hatte im Juli die „Cap Anamur“ mit afrikanischen Flüchtlingen unter großer Medienaufmerksamkeit übers Mittelmeer nach Italien gebracht. Neudeck griff Bierdel scharf an, als diese Rettungsaktion als illegal und inszeniert kritisiert wurde. Daraufhin bezeichnete Bierdel seinen Vorgänger als „senil“. Inzwischen sagt er, er habe die Sache mit Neudeck geklärt.

Geschäftsführer in spe Bernd Göken bestreitet ebenfalls, dass Neudeck Bierdels Sturz veranlasst hat: „Beide haben sich ausgesprochen, die Differenzen wurden beigelegt.“ Das bestätigen auch Mitglieder des Förderkreises. Der sonst sehr gesprächige Neudeck wollte gestern nicht Stellung nehmen: „Ich kann und möchte das nicht kommentieren.“

„Dennoch war Rupert Neudeck entscheidend für die Abwahl von Bierdel“, sagt Christoph Müllerleile. Der Gründer des Deutschen Fundraisingverbandes ist Experte für gemeinnützige Organisationen und meint, dass Cap Anamur „immer noch sehr stark von den Leuten geprägt ist, die Neudeck in die Organisation geholt hat“. Bei diesen habe die Distanzierung Neudecks von Bierdel sehr stark gewirkt, auch wenn sich beide später wieder versöhnt hätten.

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