italiens abschiebungen
: Schlimmer als Schily

Italiens Regierung hat Humor. Da trifft sich am Samstag Außenminister Franco Frattini mit seinen Kollegen aus Frankreich, Spanien, Portugal – und alle vier gehen auf Distanz zu Schilys Vorhaben, in Nordafrika EU-Flüchtlingslager einzurichten. Nicht bloß auf „Repression“ dürfe man setzen, verkündet Herr Frattini treuherzig. Und zeitgleich beginnt Italien mit der massivsten Abschiebeaktion in der jüngeren Geschichte des Landes. Gegenüber dieser Aktion wirken Schilys Pläne wie ein Ausbund an Rechtsstaatlichkeit.

KOMMENTARVON MICHAEL BRAUN

Vorbei an der italienischen und europäischen Öffentlichkeit, vorbei an Parlament und Kabinett hat Innenminister Giuseppe Pisanu seinen Geheim-Deal mit Muammar al-Gaddafi gemacht: Du nimmst die Flüchtlinge, ich gebe dir – ja was eigentlich?

Interessant wäre es in der Tat zu wissen, welchen Preis die Pauschal-Rücknahme der Flüchtlinge durch Libyen eigentlich hat. Was zahlt Italien, was liefert das Land an Gaddafi, um das lästige Problem endgültig auf das Südufer des Mittelmeers zu verlagern? Pisanu schweigt dazu.

Interessant auch wäre zu wissen: Hat Italien überhaupt irgendwelche Garantien, dass die Flüchtlinge menschenwürdig behandelt werden? Oder ist das eigentlich egal? Hauptsache, die „Verzweifelten“ (Pisanu) sind weg aus Italien, aus Europa? Man wüsste gern, wie das mit den italienischen Gesetzen zusammenpasst. Auf dem Papier genießt auch in Lampedusa jeder Ankömmling das Recht, Asyl zu beantragen. Wenn er denn dazu kommt.

Tja, wo kein Kläger, da kein Richter, hat sich Minister Pisanu wohl gedacht. Schon im Fall Cap Anamur praktizierte er diese Linie mit Erfolg: Die Gerichte erklärten die Abschiebungen für rechtswidrig – doch da waren die Abgeschobenen schon weit weg in Ghana. Jetzt setzt Pisanu noch eins drauf: Er lässt den Flüchtlingen nicht einmal mehr Zeit zu klagen.

Was haben die EU und ihre Mitgliedsstaaten zu diesem neuen Landrecht von Lampedusa zu sagen? Dazu, dass dort der Rechtsstaat suspendiert ist, dazu, dass dort ein EU-Innenminister in „Der tut was!“-Pose die illegale Einwanderung bekämpft und es dabei mit der Legalität nicht so genau zu nehmen scheint. Am 29. Oktober wird in Rom feierlich die EU-Verfassung samt Grundrechtscharta unterzeichnet. Wenigstens das sollte für Europa Grund sein, einmal zu prüfen, wie es um die Grundrechte bestellt ist, nicht nur in Rom, sondern auch in Lampedusa.