Hoffnung für Kaschmir

Pakistan sieht eine neue indische Friedensinitiative skeptisch – muslimische Rebellen ihr stimmen zu

DELHI taz ■ Im Kaschmirkonflikt hat Indien überraschend einen Politikwechsel angekündigt. Pakistan reagierte vorsichtig auf die neue Initiative des indischen Premierministers Atal Bihari Vajpayee zur Normalisierung der bilateralen Beziehungen. Sein Land werde „immer positiv auf Vorschläge reagieren, wenn sie ehrlich auf eine Verbesserung der Beziehungen abzielen“, sagte ein Sprecher des pakistanischen Außenministeriums am Mittwoch. Die Vorschläge Vajpayees seien jedoch nicht eingebettet in eine „umfassende Dialog“-Struktur zu den Problemen in der von beiden Ländern beanspruchten Kaschmirregion.

Die indische Regierung hatte am Mittwoch ein Zwölf-Punkte-Programm zur Normalisierung der Beziehung zu Pakistan verabschiedet. Dazu zählen die Wiederaufnahme des Eisenbahn- und Flugverkehrs sowie der Ausbau diplomatischer Kontakte. In dieselbe Richtung zielt die Ankündigung, dass das Kabinett Innenminister Lal Krishna Advani zu Gesprächen mit muslimischen Rebellen im indischen Teil der Kaschmirregion ermächtigt hat. Separatistengruppen in Kaschmir haben das Angebot bereits angenommen.

Sicherheitspolitisches Gewicht hat der Vorschlag, die Grenze beim Dorf Uri zwischen Srinagar und Muzaffarabad für den Zivilverkehr zu öffnen und einen Bus-Shuttle einzurichten zwischen den jeweiligen Hauptstädten des geteilten Kaschmirs – Srinagar auf indischer und Muzaffarabad auf pakistanischer Seite. An der Strecke ist es immer wieder zu Artilleriegefechten gekommen.

Pakistans zurückhaltende Reaktion mag erstaunen, insbesondere nachdem Islamabad seit Monaten zur Aufnahme von Gesprächen gedrängt hat. Sie ist aber verständlich. Der indische Premierminister hatte bei seiner Friedensinitiative im vorigen Frühling mit seiner dargebotenen „Hand der Freundschaft“ noch einen politischen Dialog eingeschlossen. Dieser fehlt heute nahezu. „Indien müsse seine Beziehungen mit Pakistan normalisieren“, sagte Indiens Außenminister Yashwant Sinha am Mittwoch auf einer Pressekonferenz. Ein Dialog sei aber erst möglich, wenn Indien Beweise dafür habe, dass der grenzüberschreitende Terror beendet werde. Indiens Premierminister Atal Behari Vajpayee werde im Januar zum Gipfel des Südasien-Forums SAARC nach Islamabad reisen, beabsichtige aber nicht mit Pakistans Präsident Pervez Musharraf ein Vier-Augen-Gespräch zu führen.

Beobachter sprechen von einer Strategie Indiens, den Brandherd Kaschmir mit bürgernahen Initiativen zu entschärfen, um den Status quo – Indiens Eingliederung „seines“ Teils von Kaschmir – zu zementieren. Pakistan dagegen will diesen Status ändern und sieht im politischen und militärischen Druck das einzige Mittel, Indien an den Verhandlungstisch und zu territorialen Konzessionen zu zwingen. Delhis jüngste Initiative, insbesondere die Öffnung des Grenzpostens in Uri, wird in Kaschmir zweifellos sehr populär sein. Sie könnte den Prozess der „emotionalen Reintegration“ der Bewohner des Kaschmirtals in die indische Union stärken.BERNARD IMHASLY