Meuterei der Polizei in Belgrad

Serbiens Polizei- und Armeespitze widersetzten sich der Auslieferung von vier Generälen an das UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen in Den Haag. Der prowestliche Premier Zoran Živković steht unter Druck und schließt sich dem Protest an

aus Belgrad ANDREJ IVANJI

Die am Montag erhobene Anklage des UNO-Tribunals für Kriegsverbrechen in Den Haag gegen vier serbische Armee- und Polizeigeneräle ist in Belgrad wie eine Bombe eingeschlagen. Der derzeitige Chef der serbischen Polizei, Sreten Lukić, sein Vorgänger Vlastimir Djordjević, Exgeneralstabschef Nebojša Pavković und der ehemalige Kommandant der im Kosovo stationierten Dritten Armee, Vladimir Lazarević, werden wegen „Mord, Verfolgung, Zwangsdeportation und ethnischer Säuberung“ der albanischen Zivilbevölkerung im Kosovo belastet. In der Anklage werden konkrete Ereignisse genannt, unter anderem die Ermordung von mindestens 44 albanischen Zivilisten im Ort Suva Reka im Kosovo, deren Leichen vor einem Jahr versteckt in einem Massengrab in der Nähe von Belgrad entdeckt worden sind.

Die Polizei habe beschlossen, die jüngste Anklage des UNO-Tribunals für Kriegsverbrechen abzulehnen, Verkündete das serbische Innenministerium. Am Freitag würden Polizeieinheiten im Zentrum Belgrads demonstrieren und dadurch ihren „Unmut“ gegen das Tribunal und ihre „Unterstützung“ des wegen Kriegsverbrechen angeklagten Polizeichefs äußern. Der Belgrader Sender B 92 bezeichnete den Protestmarsch unter Berufung auf eine anonyme Quelle aus der Regierung als eine „regelrechte Meuterei“ der Polizei.

„Die Mitglieder des Heers fragen sich, ob diese Anklagen jemals ein Ende nehmen werden“, erklärte auch Generalstabschef Branko Krga erbittert. Die Armee setze sich zwar dafür ein, dass Verbrechen aufgeklärt würden, doch es sei völlig unakzeptabel, dass Offiziere wegen „Kommandoverantwortung“ angeklagt werden. Belgrad habe bisher mehr Angeklagte dem Tribunal ausgeliefert als alle anderen Staaten des ehemaligen Jugoslawien zusammen. Die Anklage gegen die „serbischen Helden“ hat die nationalistischen Kräfte mobilisiert. Ein Abgeordneter der ultranationalistischen Partei der serbischen Einigkeit rief am Donnerstag während einer im Staatsfernsehen live übertragenen Parlamentssitzung die Polizei auf, alle staatlichen Institutionen zu besetzen.

Im Allgemeinen wird das verhasste Haager Tribunal in Serbien als eine „politische, antiserbische“ Institution betrachtet. Der Widerstand der Armee- und Polizeispitze wird von der Bevölkerung unterstützt. Dem unter Druck geratenen prowestlichen Premier Zoran Živković, blieb nichts anderes übrig, als den Protest der Polizei „gutzuheißen“. Gerade jetzt die Anklage zu erheben, zu Beginn der Gespräche Belgrads mit Priština, inmitten der Wahlkampagne für die Präsidentschaftswahlen und angesichts des Misstrauensantrags gegen die Regierung im serbischen Parlament, sei einfach nicht korrekt und hätte schwere Folgen für die Stabilität des Landes, erklärte Živković.

In der allgemeinen institutionellen Krise, in der sich Serbien befindet, besteht die Befürchtung, dass sich die Sicherheitskräfte gegen die Regierung wenden könnten.