Generalstreik gegen Rentenkürzung

In Italien mobilisieren die Gewerkschaften gegen Berlusconi. Rechtsregierung will vorgezogene Altersrente kippen

ROM taz ■ Egal ob Fabriken oder Büros, Kindergärten, Schulen oder Banken, Nahverkehrsmittel oder Flughäfen – für vier Stunden soll heute Italien stillstehen. Zumindest planen das die drei großen Gewerkschaftsbünden CGIL, CISL und UIL. Sie haben gemeinsam zu einem Generalstreik aufgerufen, um gegen die Rentenpläne der Berlusconi-Regierung zu protestieren.

Im Rahmen der laufenden Haushaltsberatungen für 2004 hat das Kabinett Pläne gebilligt, die deutliche Schnitte vorsehen. Vor allem geht es um eine italienische Besonderheit: Arbeitnehmer in Mailand oder Turin können nicht nur regulär in Rente gehen, wenn sie das Lebensalter von 65 (Männer) beziehungsweise 60 Jahren (Frauen) erreicht haben, sondern auch schon, wenn sie 35 Beitragsjahre und ein Lebensalter von 57 erreicht haben. Dieser „Dienstaltersrente“ soll es jetzt an den Kragen gehen. Bis 2007 winkt die Regierung mit dem Zuckerbrot: Wer freiwillig 2 Jahre über die Mindestfrist hinaus arbeitet, kriegt die gesamten eigentlich fälligen Rentenbeiträge bar als Lohnaufschlag ausgezahlt – bei einer Beitragshöhe von 32 Prozent ein sattes Zubrot. Ab 2008 kommt dann die Peitsche: Übergangslos soll die Zahl der nötigen Beitragsjahre auf 40 erhöht werden.

Dagegen laufen die Gewerkschaften schon deshalb Sturm,weil sie in den Neunzigerjahren gleich drei Reformen mitgetragen haben, die eine deutliche Absenkung der Renten per neue Beitragsformel und Einführung des demografischen Faktors bewirkten. Eine der Vereinbarungen damals lautete: Neue Reformen werden frühestens 2005 entschieden, im Einvernehmen mit den Gewerkschaftsbünden.

Berlusconi dagegen räumte jetzt nach Bekanntgabe seiner Pläne gerade drei Tage für „Verhandlungen“ ein. Das war selbst den beiden Bünden CISL und UIL zuviel, die anders als die linke CGIL immer Gesprächsbereitschaft gezeigt hatten. Noch beim Streit um den Kündigungsschutz im vergangenen Jahr war es Berlusconi gelungen, die Gewerkschaftsfront zu spalten: Die CGIL blieb am Ende mit ihrem Protest allein. Jetzt führt die Regierung die Gewerkschaften wieder zusammen: Nach dem heutigen Generalstreik sind schon weitere Kampfmaßnahmen in Vorbereitung.

Ob der Gewerkschaftsprotest Erfolg haben wird, steht aber noch dahin. Denn wenn auch die Spaltungen in den eigenen Reihen momentan überwunden sind, erscheinen die Bünde im politischen Raum doch einigermaßen isoliert. Zwar haben sie den Zuspruch der Oppositionsvertreter, die sich heute wohl auch auf den Kundgebungen zeigen werden. Dieselben Oppositionspolitiker aber, vorneweg Linksdemokraten-Chef Piero Fassino, haben zugleich Berlusconi Gesprächsbereitschaft bei der Rentenreform signalisiert.

MICHAEL BRAUN