Gesucht: 35 Milliarden US-Dollar

Auf der zweitägigen Geberkonferenz in Madrid steht die Frage nach den Finanzierungsmöglichkeiten des Wiederaufbaus Iraks zweifellos im Vordergrund. Weitaus brisanter scheint die Frage, wer die bereitgestellten Gelder in Zukunft verwalten soll

aus Madrid REINER WANDLER

UN-Generalsekretär Kofi Annan hat gestern zur Eröffnung der Irak-Geberkonferenz seinen Frieden mit der Besatzung des Landes an Eufrat und Tigris geschlossen. Im Interesse der Menschen dürfe mit dem Wiederaufbau des durch Krieg und Embargo zerstörten Landes nicht gewartet werden, bis die Iraker ihre Souveränität zurückerlangen. „Das irakische Volk hat einen schweren Weg vor sich, lassen wir es ihn nicht alleine gehen“, mahnte er die Vertreter aus 73 Ländern und fordert sie auf, großzügig zu spenden.

Die Weltbank schätzt den Bedarf alleine für die nächsten vier Jahre auf 35,819 Milliarden US-Dollar. Für die innere Sicherheit und den Wiederaufbau der Ölindustrie werde weitere 20 Milliarden gebraucht. Den größten Teil der benötigten Hilfsgelder – 24,2 Milliarden – wird die Infrastruktur verschlingen. Zwanzig Jahre Krieg – erst gegen den benachbarten Iran und dann zweimal gegen eine internationale Allianz – sowie zwölf Jahre Embargo haben den Irak ausgeblutet.

Am stärksten leiden die Kinder unter den katastrophalen Zuständen. So beklagt Unicef, dass durch die schlechte Sicherheitslage viele Schulen nicht repariert werden und geschlossen bleiben. Während des Kriegs wurden 200 Schulgebäude völlig zerstört, gegen Ende nochmals 2.700 von Plünderern verwüstet.

Weite Landesteile sind vermint. Dies und die ständig zunehmende Kriminalität schränkt die Bewegungsfreiheit der Kinder laut Unicef auf ein Minimum ein. „Die Verbesserung der Lage der Kinder muss im Mittelpunkt stehen“, mahnt der deutsche Unicef-Geschäftsführer Dietrich Garlichs. „Der Irak kann sich nicht noch eine verlorene Generation leisten.“

Der verheerenden Lage im Irak stehen nur wenige konkrete Zusagen gegenüber. Die USA wollen rund 20 Milliarden Dollar spenden. Die Hoffnungen der US-Regierung, die Schäden im Lande würden sich mit den Öleinnahmen finanzieren lassen, sind längst zunichte. Wenn überhaupt, werden die Einnahmen die Arbeit der Übergangregierung decken. Die Besatzung selbst belastet den US-Haushalt.

Zweitgrößter Geber wird Japan sein. Das asiatische Land will 1,5 Milliarden Dollar spenden. Die beiden europäischen Partner der USA im Irak-Waffengang, Großbritannien und Spanien, wollen 840 beziehungsweise 300 Millionen Dollar einzahlen. Der Vorstoß der spanischen Konservativen im Europaparlament, mehr EU-Gelder für den Irak bereitzustellen, wurde gestern in Straßburg abgelehnt.

Trotz des Aufrufs Annans halten sich Deutschland, Frankreich und Russland, die sich im UN-Sicherheitsrat bis zuletzt gegen den Irakkrieg ausgesprochen hatten, bei der Geberkonferenz zurück. Deutschland zahlt nur 193 Millionen Euro. Dieses Geld geht nicht in den Topf der Geberkonferenz, sondern wird als humanitäre Hilfe vergeben und über die EU an den Irak bezahlt. Die Koalition der Kriegsgegner gab ihrem Unmut einmal mehr Ausdruck. Paris und Moskau schickten nur einen Vizeminister nach Madrid, und Berlin begnügte sich gar mit einem Staatssekretär. Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul blieb demonstrativ zu Hause.

Egal, wie viel Geld letztendlich zusammenkommt, bleibt die Frage, wie es dort hingelangt, wo es gebraucht wird. Sowohl die 300 in Madrid versammelten Unternehmer, die sich einen Auftrag beim Wiederaufbau des Irak erhoffen, als auch der Präsident der Übergangsregierung, Ayad Allawi, beklagte sich über die mangelnde Sicherheit im Lande, die Investitionen erschwere.

Am heutigen Freitag wird die versammelten Minister und Staatssekretäre vor allem die Frage beschäftigen, wer die Hilfsgelder verwalten soll. Aus NGO-Kreisen wurde bereits jetzt Kritik laut, die US-Besatzer und die von ihnen eingesetzte Regierung hätten bisher nur dürftig Rechenschaft über die Finanzen des Irak abgelegt.