Von Offenbach lernen

Die hessische Stadt macht vor, wie interkulturelle Verwaltung funktionieren kann. Rund 36 Prozent der Einwohner sind Migranten. Die Serviceeinrichtungen hätten sich weitgehend darauf eingestellt, sagt die grüne Stadträtin Birgit Simon

taz: Frau Simon, ist Offenbach eine Vorzeigestadt, was die Integration von Ausländern und interkulturelle Öffnung der Verwaltung angeht?

Birgit Simon: Dieses Etikett würde ich nicht für uns in Anspruch nehmen. Wenn so etwas proklamiert wird, bin ich immer skeptisch. Allerdings würde ich schon sagen, dass wir eine Stadt sind, die sich sehr stark mit dem Thema Zuwanderung und den sich daraus ergebenden Fragen und Schwierigkeiten beschäftigt.

Was war der Auslöser?

Offenbach gehörte in den 50er-Jahren zu den Städten, die einen hohen Zuzug von Gastarbeitern hatten. Von 118.000 Einwohnern sind 36 Prozent Migranten aus über 140 Nationen. Vieles von dem, was hier im Laufe der Jahre an Integration erbracht worden ist, ist Integration von unten – geleistet von Migrantenverbänden und freier Wohlfahrtspflege. Die Stadt hat sich mit den Migranten weiterentwickelt, begreift sie als Zielgruppe und hat ihre Serviceeinrichtungen weitgehend darauf eingestellt.

Wie genau sieht das aus?

Ein gutes Bespiel ist der Kindergarten. Wir haben festgestellt, dass ausländische Eltern kaum zu Elternabenden kommen, weil sie die Dinge nicht richtig verstehen und einordnen können. Daraus haben wir die Konsequenz gezogen, fast nur Einzelgespräche mit den Eltern zu führen. Auch das Ausländeramt hat seinen Kundenservice völlig umgestellt.

Inwiefern?

Die Zeiten sind so entzerrt worden, dass Migranten individuell betreut werden können. Früher haben bis zu 60 Menschen auf kleinstem Raum gewartet, bis sie dran waren.

Was hat Offenbach noch vorzuweisen?

Die Stadt hat ein Konzept für die Sprachförderung in Kindertagesstätten aufgelegt. Es gibt einen interkulturellen Gesundheitswegweiser. In Stadteilen mit hohem Migrantenanteil versuchen wir, Stadtentwicklung und Existenzsicherung zu verzahnen. Regelmäßig gibt es runde Tische zur Konfliktminderung.

Wie ist die Reaktion der Verwaltungsmitarbeiter?

Sehr positiv. Verständigung ist die Basis, um die Verwaltung für das Thema Migration fit zu machen. Je besser die Kommunikation, umso leichter ist es, Strukturen zu verändern.

Das klingt sehr positiv. Wo liegt es im Argen?

Hartz IV könnte große Komplikationen mit sich bringen. Da sind zum Bespiel die langen Fragebögen, die ausgefüllt werden müssen. Wir müssen die Migranten- und Wohlfahrtsverbände bitten, die Leute gezielt zu uns zu schicken. Die Mitarbeiter der Service-Center müssen genug Zeit bekommen, sich den Einzelfällen zu widmen. Aber auch sonst gibt es noch viel zu tun. Wir verstehen Zuwanderung nicht nur als soziale Frage, sondern als Partizipationsfrage. Da ist vor allem die Politik gefordert.

Wie lautet Ihr Konzept?

Wir nehmen nicht für uns Anspruch, diese Fragen gelöst zu haben. In Offenbach gibt seit 1997 aber eine Leitstelle für Zusammenleben, in der alle Fäden für die Integrationsarbeit zusammenlaufen. Die Probleme der Bundesrepublik als Einwanderungsland müssen allerdings gemeinsam mit den Migranten gelöst werden. Dazu bedarf es eines Gesamtkonzepts von Bund, Ländern und Kommunen. Auch im Rahmen von Bildung, Wirtschaftsförderung, Wohnraum- und Arbeitsmarktpolitik gibt es noch sehr viel zu tun.

INTERVIEW: PLUTONIA PLARRE