INKLUSIVE BILDUNG: DAS URTEIL ZU EMMENDINGEN MACHT HOFFNUNG
: Lasset die Kindlein zusammenkommen!

Behinderte und nichtbehinderte Kinder dürfen im baden-württembergischen Emmendingen weiter gemeinsam lernen. Das Urteil des Freiburger Gerichts ist ein bundesweit wirksames Signal – gerade auch wegen des Tages, an dem es zufällig gefällt wurde: Denn am Donnerstag ist in Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention in Kraft getreten, nachdem Bundestag und Bundesrat diese bereits zum Jahreswechsel angenommen hatten.

In dem Dokument verpflichtet sich Deutschland zu einem inklusiven Bildungssystem: dass Kinder mit Behinderungen an normalen Schulen lernen, soll zum Regelfall werden. In Spanien ist gerade ein Mann mit Down-Syndrom Lehrer geworden – in Deutschland will man vielerorts noch nicht einmal Down-Syndrom-Kinder in den Klassen haben. 400.000 Kinder schiebt Deutschland auf Sonderschulen ab – und das, obwohl nahezu alle Experten sagen, dass sie dort weniger Fortschritte machen als an Regelschulen und kaum eine Chance haben, in den Arbeitsmarkt integriert zu werden. Es ist ein Skandal, dass das baden-württembergische Kultusministerium überhaupt versucht hat, den Emmendingern zu verbieten, geistig behinderte Kinder in ihre Privatschule einzugliedern – und dies mit der Begründung, daran bestehe kein besonderes pädagogisches Interesse.

Aber leider wird man im Ländle aus dem Urteil wohl kaum die richtigen Lehren ziehen. Denn die CDU im Südwesten weiß mit ihrer Ablehnung eines inklusiven Bildungssystems viele Wähler hinter sich: Das Vorurteil, die eigenen Kinder würden weniger lernen, wenn die Behinderten in die Klassen kämen, ist ebenso weit verbreitet wie empirisch unhaltbar.

Deutschland braucht eine Bildungsrevolution. Sonderschulen müssen weitgehend abgeschafft und die bisher aussortierten Kinder an die normalen Schulen geholt werden – samt der Förderpädagogen, die dadurch sogar noch wichtiger werden. Dieser Umbau braucht Jahre und er wird Milliarden kosten. Aber am Ende werden alle profitieren, auch die nichtbehinderten Schüler. Alle Kinder zusammenkommen zu lassen: Ist das wirklich ein so abwegiges Ziel für ein christlich geprägtes Land?

WOLF SCHMIDT