Auch Riester neu ist ungerecht

Koalition reagiert auf die Wut über gekürzte Akademikerrente mit einer nur geringfügig verlängerten Übergangszeit. Neufassung der Riester-Rente sieht nach den Plänen des Sozialministeriums keine Unisex-Tarife für Frauen und Männer vor

aus Berlin HEIDE OESTREICH

Mit einem minimalen Kompromiss reagierte die Koalition auf die Kritik an SPD-Sozialministerin Ulla Schmidts langfristigen Plänen zur Sicherung der Altersvorsorge. Die Abschaffung der Anrechnung von Schul- und Studienzeiten bei der Rentenberechnung hatte nach der Union auch SPD-PolitikerInnen in Wallung versetzt. So bezeichnete das SPD-Vorstandsmitglied Ulla Burchardt die Maßnahme als unverantwortlich: „Das ist das völlig falsche Signal.“

In einem gestern Abend vorgelegten Eckpapier kündigten SPD und Grüne nun eine Übergangsfrist für die Abschaffung der Anrechnung von 2005 bis 2009 an. Ursprünglich war eine Frist bis 2008 geplant. Auch sollen die Ausbildungszeiten weiterhin für die Anwartschaft auf Rente zählen, aber auf die Höhe der Rente keinen Einfluss haben. Bisherige KritikerInnen zeigten sich zufrieden mit den geringfügigen Nachbesserungen. So nannte Grünen-Sozialexpertin Thea Dückert den Kompromiss eine gute Lösung. Zuvor hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder die Pläne vehement verteidigt: „Ich hätte auch studiert, und zwar mit aller Kraft, wenn es drei Jahre Anrechnungszeiten nicht gegeben hätte.“

Kritik von Seiten der Grünen erntete das Sozialministerium auch für die geplanten Veränderungen bei der Riester-Rente, die ab 2005 greifen sollen. Die Riester-Rente sollte nicht nur weniger bürokratisch organisiert, sondern auch gerechter werden. Im Moment fördert der Staat eine Vorsorge, bei der Frauen schlechter gestellt sind als Männer. Weil ihre Lebenserwartung höher ist, bekommen sie bei Privatversicherungen weniger Rente als Männer, die dasselbe eingezahlt haben. Frauenministerin Renate Schmidt und Sozialministerin Ulla Schmidt (beide SPD) hatten angekündigt, in Zukunft Unisex-Tarife, also angeglichene Tarife für Männer und Frauen, vorzusehen.

In den Eckpunkten für die Neufassung der Riester-Rente ist ein echter Unisex-Tarif allerdings nicht enthalten. Stattdessen heißt es, in Zukunft müssten auch die Hinterbliebenen mitabgesichert werden. Dabei können sich Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Lebenserwartung von Männern und Frauen ausgleichen. Singles hätten von einer solchen Regelung nichts.

Zudem will das Ministerium nicht festlegen, wie hoch der Anteil der Hinterbliebenenversorgung an der gesamten Privatvorsorge ist. Wenn man diesen Anteil sehr klein hält, bleibt es bei den unterschiedlichen Tarifen für Frauen und Männer.

„Das ist überhaupt nicht hinreichend“, kritisiert die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Irmingard Schewe-Gerigk, und mahnt: „Der Gesetzgeber darf nur die Anlageformen fördern, die dem Gleichberechtigungsgrundsatz nicht widersprechen. Ich gehe davon aus, dass die Ministerien den Unisex-Tarif in das Gesetz einfügen werden, wie es vereinbart war.“

Auch Peter Schwark vom Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft sieht diese Regelung kritisch: „Für Alleinstehende entsteht ein echter Nachteil.“ Die Riester-Rente würde sich darüber hinaus verteuern und als Produkt noch unattraktiver, meint Schwark. Der Gesamtverband lehnt allerdings auch den Unisex-Tarif ab. Die anderen Vereinfachungen der Riester-Förderung begrüßt Schwark. So werden die Kriterien, nach denen ein Produkt als förderungswürdig zertifiziert wird, von elf auf vier reduziert. Der Antrag auf Förderung muss nicht mehr jedes Jahr neu gestellt werden, sondern nur einmal.