Ankara lehnt Sonderkonditionen ab

Die Türkei will behandelt werden wie die anderen Beitrittskandidaten. Außenminister Gül nennt Forderung nach Referendum „sehr schädlich“

ISTANBUL taz ■ Mit Skepsis ist in der Türkei der Vorschlag des designierten EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Durao Barroso aufgenommen worden, am Ende von Beitrittsverhandlungen in den EU-Staaten ein Referendum über eine türkische Vollmitgliedschaft durchzuführen.

Gegenüber dem Sender NTV sagte Außenminister Abdullah Gül, er halte nichts von Referenden, die nur neue Unsicherheiten vor einer türkischen EU-Perspektive aufbauen. In einem Interview mit dem US-Magazin Time nannte er den Referenden-Vorschlag „sehr schädlich“.

Schon am Vortag hatte Gül sich dagegen gewehrt, dass für die Türkei andere Konditionen als für bisherige EU-Beitrittskandidaten gelten sollen. „Es darf keine speziellen Türkeiklauseln geben“, sagte Gül vor der Presse in Ankara.

„Formeln wie Gespräche mit offenem Ausgang oder gar Referenden am Ende von Verhandlungen werden von uns abgelehnt“, sagte Gül. „Wir erwarten, dass die EU gegenüber der Türkei dieselbe Prozedur einhält wie anderen Beitrittsländern gegenüber. Wenn wir alle Bedingungen für einen Beitritt erfüllt haben, werden wir Mitglied. Wie lange das dauert, hängt davon ab, wie schnell die Türkei in der Lage ist, die Bedingungen zu erfüllen.“

Da die Frage von Referenden sich erst am Ende eines vermutlich bis zu 15 Jahre andauernden Verhandlungsprozesses stellen wird, hatte die türkische Regierung zunächst noch gelassen auf den französischen Präsidenten Jacques Chirac reagiert, als dieser am Freitag erstmals den Vorschlag ins Spiel brachte.

Ein Sprecher des Außenministeriums sagte zunächst, es sei eine innenpolitische Entscheidung jedes Landes, wie es seine politischen Entscheidungen organisiere. Der Schritt von Kommissionspräsident Barroso, EU-weite Referenden durchzuführen, wird nun aber als Versuch gewertet, sich erneut vor einer eigenen politischen Entscheidung zu drücken. JÜRGEN GOTTSCHLICH