„Vor dem Winter zurückholen“

Ausgeliefert ohne Erbarmen: Eine Delegation im Auftrag des Ökumenischen Arbeitskreises der Bremischen Evangelischen Kirche warnt vor Abschiebungen libanesischer Flüchtlinge in die Türkei. Dort lebt eine Mutter mit sieben in Deutschland geborenen Kindern ohne Hilfe

Kirchenvertreter erneuern die Forderung nach einer Härtefallkommission

Bremen taz ■ Nasse Wände, nicht genug zu essen, zwölf Personen auf 15 Quadratmetern in einem Raum über dem Stall. Bei Einbruch des nahen Winters werden nur Säcke im Eingang den Schnee der kurdischen Bergregion um Mardin draußen halten.

Solche Verhältnisse fanden Danja Schönhöfer und Thomas Stapke von der Bremer Flüchtlingsinitiative vor, als sie vergangene Woche im Auftrag des Ökumenischen Arbeitskreises der Bremischen Evangelischen Kirche ins türkische Ückavak reisten, um nach dem Verbleib einer libanesischen Mutter mit sieben Kindern zu forschen, die im Sommer aus Soest abgeschoben worden war (taz berichtete). Der Ehemann lebt weiter in Deutschland, weil die Türkei ihn ausbürgerte, nachdem er keinen Wehrdienst ableistete.

Die Bremer Angehörigen der Frau hatten die Bremische Evangelische Kirche um Hilfe gebeten. Vor der Presse begründete gestern Horst Janus vom Ökumene-Kreis das Engagement: „Wir wollten klären, was mit Familien libanesischer Herkunft geschieht, wenn sie in die Türkei abgeschoben werden.“ Das Ergebnis: „Es ist schlimmer als befürchtet.“

Man müsse die Familie zurückholen, fordert Schönhöfer von der Flüchtlingsinitiative. „Die Verhältnisse, unter denen die in Deutschland geborenen Kinder und ihre Mutter leben müssen, sind unmenschlich.“ Die Frau sei auf Almosen aus der bitterarmen Nachbarschaft im 2.000 Seelen-Dorf an der syrischen Grenze angewiesen. Ohne männliche Begleitung sei sie ungeschützt – und riskiere nach den traditionellen Vorstellungen des Dorfes die Schande. Als Frau alleine könne sie sich auch dann keinen Wohnraum mieten, wenn sie Geld hätte. Doch besitze die Familie nur, was sie auf dem Leibe trage. Wie sie den Winter überstehen solle, sei unklar, da die Söhne der Gastgeberfamilie dann nicht mehr im Freien schlafen könnten. Mutter und Kinder müssten ausziehen. „Aber sie kennen in Ückavak keine Menschenseele, sie sind mit niemandem verwandt“, ergaben die Recherchen der Delegation.

Aussagen deutscher Behörden, wonach abgeschobene Flüchtlinge sich gegenseitig helfen könnten, „entsprechen nicht der Realität“, ist Horst Janus überzeugt. Er hofft nun auf ein Gespräch mit dem Bremer Innensenator Thomas Röwekamp (CDU), der allerdings jüngst mehr Härte im Umgang mit ausreisepflichtigen Ausländern angekündigt hatte. Zu dieser Gruppe gehört ein Teil der Bremer Verwandten der bereits abgeschobenen Frau aus Soest – obwohl Ex-Innensenator Kuno Böse (CDU) nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichtes auf einen Bremer Weg eingelenkt war: Unbescholtene Kinder der zweiten Generation sollten bleiben dürfen – auch wenn deren Eltern auf der Flucht vor dem Bürgerkrieg im Libanon über die Türkei eingereist waren, meist mit Pässen, die durch Bestechung und Geburteneintrag im Amtsregister beschafft wurden. Auch wenn vielfach bereits die Großelterngeneration der jetzt abgeschobenen Frau die damals umkämpften Kurdengebiete der Türkei Richtung Libanon verlassen hatten.

An solchen Fällen werde der Sinn einer Härtefallkommission deutlich, wie ihn die evangelische und katholische Kirche in Bremen forderten, sagt Janus. Dann würden Familien, die seit 15 Jahren hier leben und deren Kinder sich integriert haben, nicht in ein Land abgeschoben, wo sie nachweislich niemanden kennen und sich aufgrund ihrer deutschen Sozialisation auch nicht zurechtfinden könnten. ede