Morgens um acht über der Spree

Das Watergate lebt von Wochenendparties, bei denen internationale Mixlegenden auflegen. Mit diesem Konzept hat sich der Kreuzberger Club innerhalb von einem Jahr eine durchaus noch ausbaufähige Fangemeinde geschaffen

Vor zehn Tagen, nachts um halb eins vor dem Kreuzberger Club Watergate: Mehr als 200 Leute drängeln sich vor der Eingangstür, die Türsteher haben Mühe, die Menge hinter der Absperrkordel zurückzuhalten. Drinnen soll heute die Hip-Hop-Legende Afrika Bambaataa auflegen. Der Club ist brechend voll, neue Gäste kommen nur rein, wenn jemand das Watergate verlässt.

Solche Szenen sind beim Watergate, das an diesem Samstag sein einjähriges Bestehen feiert, zur Zeit noch eher die Ausnahme. Der Club hat bisher eher durch ein anspruchsvolles Musikprogramm als durch Besucherrekorde auf sich aufmerksam gemacht. Am Wochenende hat das Watergate inzwischen sein Publikum gefunden, doch die Donnerstagsparty „Looking for the perfect beat“ ist bis auf weiteres auf Eis gelegt. Obwohl die DJs an diesem Abend mit beispielhafter Experimentierfreude ans Werk gingen und man immer wieder atemberaubende Mixe zu hören bekam, verloren sich an manchen Donnerstagen gerade mal eine Handvoll Gäste auf der unteren Etage des Watergate – trotz der Glaswand mit dem spektakulären Blick auf Spree, Oberbaumbrücke und Universal-Gebäude.

„Da wollten wir eigentlich Wild-Style-Disco machen, bei der ganz verschiedene Musikstile gemischt werden“, sagt Steffen Hack, der Besitzer des Watergate. „Es gab eine Mixtur aus Hip-Hop, Disco, House und Drum and Bass, aber das war vielen offenbar zu experimentell. Die meisten Leute gehen nicht wegen der Musik in einen Club, sondern wegen eines Events. Und weil viele andere Leute auch da hingehen.“ Zu Höhepunkten wie dem Auftritt der New Yorker Disco-Legende Francois Kevorkian oder dem britischen Star-Remixer Ewan Pearson strömt zwar das Publikum, aber an anderen Abenden ist die Zahl der Besucher noch steigerungsfähig. Um gegenzusteuern, will das Watergate in Zukunft verstärkt mit Plattenlabels zusammenarbeiten und durch bekannte Namen mehr Publikum ziehen. Und im nächsten Frühjahr soll eine Terrasse über die Spree angebaut werden.

Anders als die meisten Berliner Clubs ist das Watergate nicht eine „Zwischennutzung“ in einem Altbau, sondern befindet sich in einem modernen Bürogebäude, das es sich mit einigen Medienunternehmen teilt. Unter der Woche dürfen Parties darum nicht länger als acht Uhr morgens dauern. Und das Watergate ist – im Nachwende-Berlin immer noch eher die Ausnahme – ein vollkommen legaler Club. Legal sein bedeutet unter anderem: Das Kreuzberger Bauamt kontrollierte den Club vor seiner Eröffnung streng, während die Läden, die kurzzeitig einen Raum übernehmen, von der Verwaltung meist toleriert werden. Das Watergate muss eine Rampe für Rollstühle und eine Behindertentoilette anbieten, eine Umluftanlage und Notausgänge, die Macher müssen GEMA-Gebühren, Lohn-Nebenkosten und Umsatzsteuern zahlen.

Das führt zu Preisen, die über dem Durchschnitt der meisten Berliner Clubs liegen: Zehn Euro und mehr kostet der Eintritt am Wochenende, für viele Studenten, die in der Nachbarschaft in Kreuzberg und Friedrichshain wohnen, wohl zuviel. „Wer sich über die hohen Eintrittspreise beschweren, sollte mal gucken, was ein Clubabend in anderen deutschen Städten kostet“, findet Hack. „Wir werden mit dem Watergate jedenfalls nicht reich. Ich verdiene im Monat so viel wie ein bekannter DJ an einem Abend.“ Wegen der steigenden Preise muss das Watergate bei teuren Veranstaltungen mit Sponsoren zusammenarbeiten – früher bei den meisten Berliner Clubs eine geächtete Anbiederung an das Kapital. „Aber inzwischen kommt fast niemand mehr darum herum“, sagt Hack.

Wenn Steffen Hack sich um seinen Club Sorgen macht, lässt er es sich nicht anmerken. Parties veranstaltet er in Berlin seit Ende der 80er Jahre, 1996 hat der 39jährige Ex-Punk unter anderem den Toaster mitgegründet und bis 2001 im WMF die „hard-edged“-Party mit Drum-and-Bass-Musik organisiert. Auch diese Feste hatten ihre Krisen. Steffen Hack: „Es ist auch spannend, wenn ein Club nicht richtig funktioniert. Mir wäre es zwar anders lieber, aber so müssen wir eben fein justieren.“

TILMAN BAUMGÄRTEL

Heute, ab 24 Uhr, Geburtstagsparty, mit Dan Bell, Sammy Dee, Baby Ford, Thomas Melchior, Zip und anderen, Watergate, Falckensteinstr. 49, Kreuzberg