Beginn der Zukunft

Der deutsche Frauenfußball erlebt nach dem WM-Triumph einen Boom. Die Frage ist: Wie lange?

FRANKFURT taz ■ Birgit Prinz ist skeptisch. Nia Künzer müde. Allzu viel haben die beiden erlebt. Die WM-Torschützenkönigin Prinz in ihrer langen Karriere, die Schützin des Golden Goals im WM-Finale von Carson City in den ersten Tagen nach dem Triumph. Irgendwie hat die beiden Spielerinnen vom deutschen Meister FFC Frankfurt der Alltag wieder – und doch ist nichts mehr so, wie es war. Auftritt im „Sportstudio“, Bilder der Frauen-Bundesliga in der „Sportschau“, Autogrammstunden, PR-Termine. Vorerst. „Es geht alles sehr hektisch zu. Aber es wird sich zeigen, ob das auch so weitergeht. An einen Frauenfußball-Boom glaube ich nicht“, sagt Prinz.

Es wird sich zeigen. Der erste Bundesliga-Spieltag nach dem magischen Moment in den USA, den 13 Millionen Fernsehzuschauer in der Deutschland live verfolgten, bewies: Überall dort, wo die Heldinnen aufliefen, wurden Sportplätze bevölkert wie nie zuvor. In Brauweiler kalkuliert Schatzmeister Rainer Beckmann normalerweise mit durchschnittlich 150 zahlenden Gästen. Als die Frankfurter mit Birgit Prinz, Nia Künzer, Renate Lingor, Pia Wunderlich und Sandra Minnert aufliefen, waren es 1.300. Auf anderen Sportplätzen herrschte dagegen das gewohnte Bild. Gähnende Leere, kaum mehr Leute als bei einem Kellerkick in der Oberliga. „Im Schnitt 400 wären mir lieber. Ich hoffe, es bleiben ein paar von den 1.300 übrig und kommen öfters“, meint Beckmann.

Doch auf Hoffen allein wollen sich die Fußballerinnen, die in der gestern veröffentlichen Fifa-Weltrangliste erstmals Platz eins vor den USA, Norwegen und Endspielgegener Schweden einnehmen, nicht verlassen. „Jetzt sind alle in der Pflicht. Nationalelf und Vereine tragen die Verantwortung dafür, ob wir von diesem Triumph wirklich profitieren können“, betont die mittlerweile zurückgetretene Stürmerin Maren Meinert. Und die Vereine haben die Zeichen der Zeit erkannt. „Wir werden uns künftig stärker auf Marketing und Öffentlichkeitsarbeit konzentrieren. Die Zeit ist reif“, sagt Rainer Beckmann.

Großes Vorbild für viele Vereine sind die Meisterinnen aus Frankfurt. Dort lenkt Siegfried Dietrich die Geschicke als Manager. Ein umtriebiger Mann am Puls der Zeit. Sprecher der Frauen-Bundesliga, Inhaber einer Sportmarketing-Agentur und nicht zuletzt persönlicher Berater von Künzer, Lingor oder der verletzten Steffi Jones. Mehr als 120 Presseanfragen gingen in der ersten Woche nach dem Triumph bei ihm ein. „Endlich wird für die Mädchen etwas übrig bleiben“, sagt er. Die professionellen Frankfurter Strukturen gelten als Musterbeispiel für erfolgreichen Frauenfußball. Die anderen Vereine wollen und müssen aufholen.

Doch allein Turbine Potsdam scheint in Sichtweite hinterher zu eilen. Letztlich bedeuten erfolgreiche Strukturen Kleingeld in den Kassen, gute Spielerinnen und damit auch sportlichen Erfolg. Und auch hier können nur wenige – vor allem eben Potsdam – den Frankfurterinnen das Wasser reichen. „Wir müssen die Qualität auf dem Rasen auch neben dem Feld umsetzen“, fordert Siegfried Dietrich von sich und seinen Managerkollegen: „Es liegt nun an den Vereinen, aus dem derzeitigen Interesse etwas Dauerhaftes zu machen. Ich glaube schon, dass die Situation noch etwas anhalten wird, denn wir haben jetzt einen Spannungsbogen bis zu den Olympischen Spielen 2004.“

Nia Künzer wäre es jedenfalls recht. „Es ist schon eine tolle Sache“, diktiert sie müde in die aufgereihten Mikrofone. Da darf auch das Studium einmal leiden. Das neue Semester hat längst begonnen, doch über ihren Stundenplan konnte sich die Frankfurterin noch keine Gedanken machen. Keine Zeit. Wie lange noch? „Keine Ahnung“, lächelt sie, „hoffentlich lang.“ Auch wenn die Kollegin Prinz bei solchen Worten eher skeptisch drein schaut. Für hoffnungsvolle Perspektiven sorgen auch die vielen Mädchen, die nun den Prinz’, Künzers und Lingors nacheifern wollen.

„Das wahre Ergebnis der Weltmeisterschaft werden wir erst in vielen Jahren begreifen. Dann, wenn es ganz normal ist, dass junge Mädchen Fußball spielen“, hofft Maren Meinert und will ihr Scherflein dazu beitragen – als Jugendtrainerin. Die Zukunft des Frauenfußballs hat begonnen. Wahrscheinlich …

THORSTEN KARBACH