Wüterich und Feudalherr

George Steinbrenner ist seit 30 Jahren der allseits gefürchtete Besitzer des Baseballklubs der New York Yankees. In der World Series gegen die Florida Marlins steht sein Team heute unter Zugzwang

aus New York SEBASTIAN MOLL

Als er 1973 in das Büro von William S. Paley trat, erinnert sich George Steinbrenner III., habe er sich vor Angst beinahe in die Hosen gemacht. Paley war der Präsident des nationalen Fernseh-Networks CBS und Besitzer der New York Yankees. Steinbrenner war der junge Erbe einer Großreederei an den Big Lakes, mit den Taschen voller Geld und einem unmöglichen Anliegen: Er wollte Paley die ruhmreichste Mannschaft im amerikanischen Baseball abkaufen.

Paley hatte die Yankees 1964 für 13 Millionen Dollar gekauft und gehofft, sie wieder an ihre goldenen Zeiten, die von den 30ern bis weit in die 50er-Jahre reichten, heranführen zu können. Doch er hatte kein Glück – und so war Paley mehr als glücklich, 1973 die erfolglosen Yankees für gut 10 Millionen an den jungen Mann aus Ohio loszuwerden.

Steinbrenner hatte bislang in der Reederei seines strengen Vaters als Chefbuchhalter gearbeitet, stets von dem alten Mann kurz gehalten und kritisiert. Die Yankees waren seine Chance, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Gerade einmal 200.000 Dollar brachte er aus eigenen Mitteln auf, um sich aus der Enge des Familienbetriebs zu befreien, den Rest lieh er sich zusammen. Und zog stolz in die große Stadt, in der er, wie er sich erinnert, zuerst herumlief wie ein staunender kleiner Junge: „Ich dachte nur, Mann oh Mann, sind die Häuser hoch hier.“

Mittlerweile ist Steinbrenner eine New Yorker Institution geworden, eine Reizfigur an der sich die Boulevardpresse ebenso gerne abarbeitet wie die New York Times. 30 Jahre lang hat Steinbrenner mit unerschütterlicher Energie und schier unerschöpflichem Geldbeutel versucht, die Yankees wieder zur Nummer eins im amerikanischen Baseball zu machen. In den vergangenen sieben Jahren ist ihm das endlich gelungen. Sechsmal standen die Yankees in der World Series, viermal gewannen sie den Titel.

An diesem Wochenende können sie im heimischen Stadion ihren fünften Titel der jüngeren Zeit holen. Dafür müssten sie heute und morgen jedoch die beiden entscheidenden Spiele gegen die Florida Marlins gewinnen. Nach dem 4:6 am Donnerstag im Pro Player Stadium von Miami liegen die Yankees in der Best-of-seven-Serie mit 2:3 zurück, schon das heutige Match könnte für sie das Aus bedeuten. Allerdings sind die Yankees ausgewiesene Spezialisten für Aufholjagden, vor allem wenn diese in der eigenen Arena in der Bronx stattfinden.

Dass dem 73-jährigen Steinbrenner zu seinem Karriereende nun doch noch die Vollendung seines Lebenswerkes beschert wird, schreiben viele einer gewissen Altersweisheit zu – bislang stand er sich stets mit unkontrolliertem Jähzorn selbst im Weg. Ursprünglich hatte sich Steinbrenner gar nicht groß in das Tagesgeschäft einmischen wollen – ein Gelübde, das er schon Tage später brach. Innerhalb des ersten Jahres feuerte er den Präsidenten und den Manager, der General Manager nahm freiwillig seinen Hut.

Vom ersten Tag an war Steinbrenner ein tyrannischer Feudalherr, der alles selbst entschied und seinen Launen freien Lauf ließ. Nicht weniger als 15 Manager feuerte er in seiner Amtszeit, 16 Pressesprecher dienten unter ihm. Einer davon, Rob Butcher, hatte die Stirn, im Dezember 1995 seine erste Woche Urlaub im Jahr zu nehmen, just, als die Yankees David Cone verpflichteten. Butcher erhielt einen knappen Anruf von Steinbrenners Sekretärin, dass seine Dienste nicht mehr benötigt würden.

Yogi Berra, die große Symbolfigur des New Yorker Baseball, wurde über seine Demission als Manager per Handy informiert, während er beim Angeln saß. Harvey Greene, von 1986 bis 1989 Pressemann, sagt über die jähzornigen Entscheidungen, die sein Chef oft reuevoll revidierte, nur um sie beim nächsten Wutausbruch wieder in Kraft zu setzen: „Wenn man das erste Mal gefeuert wird, ist das sehr traumatisch. Beim dritten Mal denkt man nur noch: Prima, ich habe heute den Nachmittag frei.“

Steinbrenners Temperament kostete ihn sogar einmal die Lizenz. 1990 hatte er verleumderische Informationen über ein Spieler verbreiten lassen, um ihn loszuwerden, und durfte zwei Jahre lang die Yankees nicht mehr führen. Genau diese zwei Jahre haben Steinbrenner offenbar gut getan. Er ist zwar noch immer besessen vom Gewinnen. Doch er lässt sich nicht mehr zu überstürzten Entscheidungen verleiten. 1995 kamen die Yankees erstmals seit 1981 wieder in die Play-offs, 1996 heuerte Steinbrenner Joe Torre als Manager an. Torre ist ein waschechter New Yorker und ebenso süchtig nach Siegen wie Steinbrenner, und vielleicht vertraut der Boss dem Mann deshalb jetzt schon seit sechs Jahren: „Ich respektiere ihn, und er respektiert mich“, sagt Steinbrenner und vergleicht Torre mit dem legendären Yankees-Manager Joe McCarthy, mit dem der Klub zwischen 1931 und 1946 siebenmal die World Series gewann.

Selbst als die Yankees in diesem Jahr einmal 12 von 15 Spielen verloren, hielt Steinbrenner an Torre fest – was ihm zugegebenermaßen ausgesprochen schwer fiel. Aber er beherrschte sich – zum Wohle der Mannschaft. Der Despot ist zahm geworden – oder zumindest ein wenig weise.