Horror aus Hameln

Pro7 produziert seine Thriller erfolgreich und teuer selbst, anstatt sie billig einzukaufen: „Ratten 2“ (20.15 Uhr)

Nachts schlafen die Ratten nicht. Nachts zerlegen die Ratten eine hübsche Blondine in der Badewanne. Übrig bleibt ein abstrakt entstellter Körper, der ahnen lässt, dass in den kommenden hundert Minuten kein Friedhof der Kuscheltiere zu erwarten ist.

Die Pro7-Produktion „Ratten 2 – Sie kommen wieder!“ folgt einer simplen merkantilen Logik. Weil „Ratten – Sie werden Dich kriegen!“ 2001 der mit vier Millionen Zuschauern erfolgreichste Eigenproduktion des Senders war, schickt Pro7 eben die Fortsetzung ins Rennen. Auch damals bereits mit Ausrufezeichen. Auch damals mit Benny Beimer aus der „Lindenstraße“.

In „Ratten 2“ fährt Ralph Herforth, bekannt aus der Golf-Werbung, einen goldenen Ford Capri, viel zu stylish für eine dermaßen computeranimierte Welt, dass man sehr gut verstehen kann, warum „Ratten“ weiland mit dem Bayrischen Fernsehpreis für „Beste Special Effects“ gekrönt wurde.

An die visuellen Oberflächen eines Computerspiels erinnert der Film mit den Nagetieren immer wieder. Auch die Geschichte ließe sich mit dem Joystick nachspielen: Kornostheim, ein malerisches Fachwerkidyll ganz ähnlich dem Hameln aus dem Märchen, wird von einer Invasion hyperaggressiver Ratten bedroht. Und zwei richtige Männer geben nun die Grimm’schen Rattenfänger. Ganz ohne Flöte, aber mit der Hilfe eines manischen Professors, der in seinem Labor an der DNA der kleinen Säuger bastelt. Schließlich muss ja auch das schaurige Faszinosum Gentechnologie irgendwie mit rein ins Event-Movie. Und die Angst vor manipulierter Flora und Fauna, die gerade erst Frank Schwätzings Roman „Der Schwarm“ in die Literatur-Bestenlisten gebracht hat.

Im Erfolgsfall will Pro7 an einer weiteren Fortsetzung arbeiten. Zwar leiht sich der Film aus der Neue-Mitte-Ikonografie die braunen Kordanzüge und die goldenen Sportwagen leiht, erzählt letztlich aber Geschichten aus einer Zeit, in der die Helden nicht „Edel und Stark“, sondern edel und stark waren – eine Hommage an das tiefste Mittelalter. Ein Film wie die Pest.

CLEMENS NIEDENTHAL