der kommentar
: Stoibers Sozialgesäusel

Edmund Stoiber vertritt im Streit mit Angela Merkel Positionen, die einem verdächtig sympathisch sind. Spinnt der jetzt – oder spinnen wir?

Wir wollten sie eigentlich nie beschwören, die gute alte Zeit, aber jetzt ist es doch so weit gekommen. Was hatten wir es einfach damals! Hier der Kanzler Schröder von der SPD, eintretend für mehr Gerechtigkeit und sozialen Ausgleich. Dort der bayerische Unsympath Stoiber von der CSU, Kandidat des Kapitals.

Und jetzt: Verwirrung. Die angeblich sozialdemokratische und grüne Regierung hat das Land nationalistischer, militärisch interventionsfreudiger und kapitalistischer ausgerichtet als je eine vor ihr. Und der Christsoziale aus Bayern profiliert sich derweil mit nachdenklichen Anmerkungen zum Sozialstaat.

Haben wir uns etwa schrecklich getäuscht? Hätten wir gar doch, die Hand möge abfallen, die Folgendes tippt, hätten wir Stoiber wählen sollen? Was für ein Albtraum.

Schnell daraus erwachen und den Kopf unter kaltes Wasser stecken. Und erkennen: Schröder wählen war möglicherweise ein großer Fehler. Aber deswegen Stoiber gut finden wäre ein noch größerer. „Die Union braucht weiterhin die Zustimmung der Arbeitnehmer in Deutschland, um auch in Zukunft Wahlen gut zu bestehen“, hat Stoiber flankierend zum Sozialgesäusel der Bild-Zeitung gesagt. Darum allein geht es ihm also: Machterhalt in Bayern, Machtgewinn im Bund. Dafür ist ihm jedes Rollenspiel recht. Das ist zwar auch nicht schön. Aber es beruhigt ungemein. STEFAN KUZMANY