Law-and-Order-Mann auf dem Schleudersitz

Mit antieuropäischer Rhetorik und Avancen nach rechts hat sich Michael Howard als Tory-Chef vorübergehend etabliert

Die Europäische Union ist schuld am Dilemma der Tories, glaubt Parteichef Michael Howard: Auf dem Parteitag im englischen Seebad Bournemouth sagte er am Dienstag, die Menschen hätten wegen der EU das Vertrauen in Politiker und Politik verloren. Er wolle „die Macht nach Großbritannien zurückholen“, damit britische Politiker wieder rechenschaftspflichtig sind und sich nicht hinter EU-Direktiven verstecken können.

Es war Howards erster Parteitag als Tory-Führer, vor knapp einem Jahr hat er das Amt von dem Wählerschreck Iain Duncan Smith übernommen, der ihm eine zerstrittene Partei hinterließ. Niemand wollte damals gegen Howard kandidieren, denn es ist ein Schleudersitz: Howard ist der dritte Tory-Chef in drei Jahren.

Howard war zunächst recht erfolgreich. Die internen Streitigkeiten haben nachgelassen, die Zahl der Parteimitglieder ist wieder leicht angestiegen, die Parteispenden sind es ebenfalls. Am Wochenende erklärte der Multimillionär Paul Sykes, der den Europawahlkampf der antieuropäischen United Kingdom Independence Party (Ukip) finanziert hatte, dass er zu den Tories zurückkehren werde. Aber die Wähler! Die sind bisher nicht zurückgekehrt. Sogar ein Fünftel der Tory-Anhänger sieht lieber Tony Blair an der Regierung als Michael Howard.

Howard, der erste jüdische Parteichef Großbritanniens, ist seit 1983 Abgeordneter für Folkestone in Südengland. Sechs Jahre später holte die damalige Premierministerin Margaret Thatcher ihn ins Kabinett. Er dankte es ihr schlecht. 1990 sagte er ihr, dass sie ihren Hut nehmen solle. Unter Thatchers Nachfolger John Major wurde Howard Innenminister und verfolgte eine „Law-and-Order“-Politik, die selbst vielen Parteigenossen zu drakonisch war. Während seiner Amtszeit platzten die Gefängnisse aus allen Nähten.

Howard will die nach rechts abgewanderten Wähler „nach Hause holen“, wie er es ausdrückte. Seine Parteitagsrede war stark antieuropäisch geprägt. Sollte er bei den Wahlen nächstes Jahr an die Macht kommen, was unwahrscheinlich ist, will er umgehend ein Referendum über die EU-Verfassung anberaumen, aus der europäischen Sozialcharta aussteigen, die gemeinsame Fischereipolitik abschaffen und über die Verteilung der Entwicklungshilfe selbst entscheiden.

Natürlich spielte auch sein altes Lieblingsthema „Law and Order“ eine große Rolle, er kann eben doch nicht aus seiner Haut. Howard will vorzeitige Entlassungen von Gefangenen abschaffen, dafür aber der Polizei mehr Freiheiten einräumen und 5.000 weitere Beamte pro Jahr einstellen.

Seine Politik fasste er kurz und bündig zusammen: „Disziplin in der Schule, mehr Polizisten, saubere Krankenhäuser, niedrigere Steuern, kontrollierte Immigration.“ Ähnliches hatte er als Innenminister der letzten Tory-Regierung unter Major gesagt. Das hat bei den Wählern schon damals nicht gezogen.

RALF SOTSCHECK