Baustelle Sonderschule

Schwarz-Grün verspricht im neuen Schulgesetz ein Recht auf Integration, schränkt dieses aber ein. Die SPD erklärt dies mit Verweis auf die neue UN-Konvention für ungenügend

VON KAIJA KUTTER

GAL-Schulsentorin Christa Goetsch will Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf erstmals „das Recht, allgemeine Schulen zu besuchen“ einräumen. Das steht im neuen Schulgesetzentwurf, der Dienstag im Senat vorgelegt wird. Damit werde die „Rechtsnorm für integrative Beschulung verstärkt“, heißt es in der Behörde.

„Eigentlich haben wir gesagt, die Integration von Sonder- und Förderschulen schaffen wir in dieser Legislatur nicht“, erläutert der GAL-Schulpolitiker Michael Gwosdz. Doch auf Druck der inzwischen in Kraft getretenen UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen habe man dies im Gesetz verankert. „Mittelfristig wollen wir die Förder- und Sprachheilschulen in der Regelschule aufgehen lassen“, ergänzt der CDU-Sonderschulexperte Wolfgang Beuss. Es sei erklärtes Ziel seiner Partei, „die Integration über die Sonderschulen zu stellen“.

Doch es gibt eine Einschränkung im neuen Paragraf 12. „Der Besuch von Sonderschulen kann angeordnet werden“ heißt es dort, „solange andere räumliche und personelle Kapazitäten fehlen und ihre Schaffung mit erheblichem Mehraufwand verbunden wäre“. „So eine Kann-Klausel darf es laut UN-Konvention nicht geben“, mahnt nun SPD-Schulpolitiker Ties Rabe. Der Gesetzentwurf müsse an dieser Stelle korrigiert werden.

Rabe hat sich in die Statistik vertieft und errechnet, dass in Hamburg nur ein Drittel der Kinder mit Förderbedarf integriert ist, die übrigen aber an 39 Sonderschulen unterrichtet werden. Da dies auch gegen den Willen der Eltern geschieht, hakt er in einer Kleinen Anfrage nach, wie oft das passiert.

„Früher war Hamburg Vorreiter in der Integration. Aber seit 2001 ist hier nichts mehr geschehen“, kritisiert der Lehrer. Es müsse deshalb ein Ausbauprogramm geben. In zwei Jahren würde Rabe die integrativ arbeitenden Grundschulen von derzeit 47 auf 100 verdoppeln.

In der Tat sind Nachbarländer wie Schleswig-Holstein und Bremen mit 45 und 50 Prozent Integrationsanteil weiter als Hamburg. Für Bremen haben Wissenschaftler ein Gutachten für ein neues inklusives Bildungssystem verfasst. Sie unterscheiden zwischen Kindern mit Förderbedarf in den Bereichen Sprache, Lernen und Entwicklung und Kindern mit geistiger oder körperlicher Behinderung. Für die erste Gruppe, unter die überproportional häufig ärmere Kinder fallen, sollte die Sonderbeschulung zu Gunsten einer Basisversorgung aller Schulen mit Sonderpädagogen ganz entfallen. In der zweiten Gruppe sollten Eltern die Wahl haben, ob sie für ihr Kind die Integration in eine Regelschule wollen. Auch in Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben die Grünen Anträge nach diesem Modell gestellt.

In Hamburg sind die Grünen froh, die in dieser Frage bisher bremsende CDU im Boot zu haben. Immerhin wird an bestehenden integrativen Grundschulen dieses Prinzip in die 5. und 6. Klassen der neuen Primarschule hinein wachsen. „Das ist schon eine deutliche Vermehrung“, sagt Michael Gwodsz, der sich über den Rollenwechsel Ties Rabes wundert: „Sonst spricht er von zu vielen Baustellen und Reformhektik in der Schulpolitik“.