urdrüs wahre kolumne: Gegen Hotte Volotte
Gut, der Hamburger SPD geht es im Superwahljahr wirklich beschissen, aber kann es da wirklich der Ausweg sein, einfach so bei der Linken im Stadtteil Wilhelmsburg ins Büro einzubrechen und dort die ganze Elektronik abzugreifen? Fair ist das jedenfalls nicht!
Zur autonomen Folklore der 60er Jahre gehörte in Italien der Schuss ins Knie bei solchen Staatsbediensteten und Vorgesetzten, die sich über die von ihnen verlangte Schweinsköpfigkeit hinaus engagierten im Piesacken und Kujonieren des Volkes – und das hatte immerhin oft genug zur Folge, dass niemand sich in Niederträchtigkeiten so richtig aus dem Fenster hängen wollte.
Barbarische Bräuche gewiss - aber was tut man mit so einem Zeitgenossen wie jenem Göttinger Sozialamts-Mitarbeiter, der zu Beginn des Jahres die Münzen im Hut eines Bettlers zählte, darauf eine Hochrechnung anstellte. Und nunmehr die Sozialhilfe um 120 Euro kürzte, was dann allerdings auf 50 Euro reduziert wurde, weil vermutlich selbst die Vorgesetzten dieses denunziatorische Verhalten zum Kotzen fanden.
Für die hannöversche Prominenz inklusive der Halb- und Unterwelt sowie dem landesüblichen Pressestrich war die Expo eine einige Freibier- und Häppchenfete über Monate hinweg. Um die aus dieser Party resultierenden Immernoch-Altlasten abzutragen, mussten Land und Stadt jetzt 250 Millionen Euro frisches Geld in die Deutsche Messe AG pumpen – und das auf Kosten all derer, die damals nur hinter Zäunen und Flatterbändern zuschauen durften, wie sich die Hotte Volotte da von Lafer und anderen Küchenmeistern für lau atzen ließen: Wo ist der leicht sozialneidische Robin Hood, der mal bei solchen Gelegenheiten die Klunker und Scheckkarten der Nassauer einkassiert und bei neuerlichem Subventionsbedarf die Beute in den großen Pott wirft?
In dreister Harmlosigkeit hat McDonald‘s jetzt mit den Bauarbeiten für seine Fressbude im Hamburger Schanzenviertel begonnen, obwohl die besten Söhne und Töchter des Volkes dort schon im Vorfeld eindeutig klar gemacht haben, dass sie sich und ihre über alles geliebten Bullerbü-Kinder nicht durch Happy Meals und Bigsize-Menues kontaminieren und korrumpieren lassen wollten. Dies nur zur Erinnerung, falls die Baugrube am S-Bahnhof absäuft und das Jammern dann wieder groß ist!
Im Bremer Walle-Center wendet sich eine adipöse Kundin um 50 mit Rollator an ein tendenziell magersüchtiges Vorstadt-Model aus dem H & M-Segment mit der Frage: „Wissen Sie, wo hier bei Sonderposten-Zimmermann die reduzierten Lebensmittel stehen?“ Die Schnepfe gibt sich kichernd-witzig und sagt: „Ich glaub‘, Oma, es ist besser, wenn ich dir das nicht sage!“ Vermutlich geht sie am Abend mit ihrem Freund ins Kino, „Männersachen“ mit Mario Barth ankucken, Popcorn essen und Zwei Liter Cola Light mit Strohhalm aus der gemeinsamen Flasche trinken, denkt sich so in flammender Empörung ULRICH „HERZSCHLAG“ REINEKING
Hinweis:ULRICH REINEKING, Journalist und Kabarettist, wüsste auch gerne, wo die Lebensmittel bei Zimmermann stehen.
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