berliner szenen Vor der Tagesvernunft

Drei Männer

„2008 oder 2009 – ist mir doch egal, wie die Scheiße heißt“, hatte ich gesagt, um vor dem Aufwachen – ich war ja schon im Aufwachen – noch ein Statement abzugeben. Im Hintergrund hatte die Machtübernahme der Tagesvernunft schon begonnen. Ich wäre gern noch geblieben. An der Ausgangstür des Traums hatte Bommi Baumann gestanden. Mein Satz variierte einen Satz, den Bommi vor zehn Jahren einmal gesagt hatte, als wir zusammen ein Buch über Drogen machen wollten.

Während ich wieder einschlief, dachte ich an einen anderen Bommi-Baumann-Satz, den ich in abgewandelter Form auch immer gerne benutze: „Wer Bücher schreibt, kann ja gleich CDU wählen.“ Der neue Traum spielte in dem Haus meiner Jugend. Es war wohl kurz nachdem sich C. das Leben genommen hatte und in diesem Wohnzimmer, das wir nur zu Festtagen benutzt hatten und das es seit dem Herbst nicht mehr gibt. Rainald Goetz war zu Besuch; im Hintergrund war mein Vater ein bisschen unsicher und fahrig, vielleicht weil er schon tot ist, vielleicht, weil er sonst nie in meinen Träumen zu Gast ist. Und eigentlich waren wir alle wie zu Besuch auf der Bühne der Geschichte dieses Hauses, das so traurig aussah wie im Herbst, als wir das meiste schon ausgeräumt hatten. Ich war zu Rainald gegangen, hatte gefragt, was er denn so lange gemacht hätte und er hatte geantwortet, er hätte gespielt, er flippere oft, wenn er nervös sei. „Auf was für einem Flipper?“ – „Dem Kerouac.“ Ich hatte ihm erzählen wollen, dass es alles, was es in Wirklichkeit gibt, auch im Computer gibt, wachte aber auf, um halb sieben, kurz bevor mein Vater kommen würde, um mich zu wecken. Es war C.s Todestag, Kerouacs Geburtstag und Frühlingsanfang. DETLEF KUHLBRODT