Was auf die Glocke

Durchdringend und erschreckend: Das soll erlaubt sein? Krachmacher am Rad mag der Gesetzgeber gar nicht, er will den schlichten Klingelton

VON ELLEN DELESE

ADS, das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom – eine schlimme Sache, mit der nicht nur Paris Hilton und andere Promis zu kämpfen haben. Auch viele Radfahrer leiden darunter, dass sie ungenügend wahrgenommen werden. In der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung steht, was dagegen helfen soll: eine „helltönende Glocke“. Also eine Klingel, die in etwa „Dingdong“, „Dring“ oder „Ping“ macht, so konkretisiert es Rechtsanwalt Dietmar Kettler in seinem „Recht für Radfahrer“. Andere „Einrichtungen für Schallzeichen“ sind nach Paragraf 64a StVZO nicht zulässig. Und wer sich nicht dran hält, zahlt 10 Euro in die Staatskasse.

Da eine Klingel eine Glocke sein muss und keinesfalls eine Hupe sein darf, sind all die komischen Figuren auf den Lenkstangen allenfalls lustig. Ob am Krokodil, Hai, Clown, Gartenzwerg oder an der Ente gedrückt wird, damit es quakt, trötet, hupt oder pupt – der Gesetzgeber mag es nicht hören. Genauso wenig wie die elektrische Hupe, bei der sich der Sound variieren lässt. Selbst die hübsche Ballhupe im Retrolook mit verchromtem Posthorn hält er nicht für geeignet, Signale im Sinne der StVZO zu emittieren.

Auch abseits des Verkehrs wird der Klingel mehr zugetraut, so beim Wesenstest für auffällige Hunde. Da wird der Proband nicht etwa angehupt, sondern mit einer Fahrradklingel traktiert. Ein Radler kommt ihm entgegen, klingling – und schon gehen dem Rottweiler unter Umständen alle Gäule durch.

Ähnliches ist beim Menschen zu beobachten. Das Bimmeln der Radfahrer klingt vielen weder hell noch süß im Ohr, eher schrill und erschreckend. „Das ist schon ein Problem“, bestätigt Astrid B., die täglich mit dem Rad zur Arbeit fährt. „Manche bleiben stocksteif stehen, wie unter Schock, mitten auf dem Fahrradweg.“ Andere jedoch würden unkontrolliert herumspringen und anschließend ihr Beleidigungen hinterherschicken. Dabei warne sie stets gesetzestreu, nie mit Hupe oder gar mit Hilfe einer Radlaufglocke. Letztere wird auch als „Sturmklingel“ bezeichnet, und so hört sie sich auch an.

Ihr Läutwerk ist mit dem vorderen Laufrad gekoppelt, funktioniert demnach mit Kraftübertragung und produziert einen durchdringenden Schepper- oder Schnarrlärm. Ein veritabler Krachmacher. Genau deshalb, wegen Lärmbelästigung, ist sie verboten. Genau deshalb, um auch die Menschen hinter schallschluckender Autoverglasung zu erreichen, ist sie bei vielen Radfahrern beliebt. „Bei uns ein Renner“, sagt Ulrike Pedersen, Geschäftsführerin der Fahrrad Richter GmbH, „manche bestellen gleich fünf auf einmal.“ Richter bietet das phonhaltige Erzeugnis im Internet für 9,95 Euro an – und rät dort gleichzeitig vom eigentlichen Zweck ab: „Der Betrieb im öffentlichen Straßenverkehr ist nicht gestattet!“ Der Verkauf schon, und auch „die bloße Mitnahme von Hupen und Sirenen als Gepäck, etwa im Flaschenhalter, ist nicht verboten“, kommentiert Kettler.

Doch selbst der korrekte Glockenton hat Gerichten schon Beschäftigung eingebracht. Wo darf er ertönen, wo sollte, wo lieber nicht? So kennt Kettler Urteile von Oberlandesgerichten, nach denen ein Radfahrer auf einem 1,70 Meter breiten Radweg überholen kann, „wenn er seine Überholabsicht durch Klingeln angezeigt und der Vorausfahrende dies wahrgenommen hat“. Anders sieht es an Haltestellen aus, ergänzt der Rechtsanwalt: Wer da Ein- und Aussteigende wegklingelt, „verhält sich rücksichtslos und rüpelhaft und begeht zudem eine Ordnungswidrigkeit“.

Es geht auch anders, davon ist er überzeugt: „Der Gebrauch der Stimmbänder ist nirgendwo verboten.“ Also brüllen wie ein angefahrener Radkurier? Nicht immer und überall, schränkt Kettler ein. „Die eigene Stimme hat den Vorteil, das man sie der jeweiligen Verkehrssituation anpassen kann. Auf einem gemeinsamen Fuß- und Radweg ist grundsätzlich der freundliche Ton angesagt, das versteht sich wohl von selbst.“