Karsais Herausforderer

Für die ersten freien Präsidentschaftswahlen in Afghanistan am Samstag sind 10,5 Millionen Wähler registriert, davon 41 Prozent Frauen. Beide Zahlen gelten aber wegen Mehrfachregistrierungen als zu hoch. 125.000 Afghanen wurden angeheuert, um den Urnengang in 5.000 Wahlzentren und 25.000 Wahllokalen durchzuführen. Mitwählen dürfen auch afghanische Flüchtlinge in Pakistan und Iran.

Ausgezählt wird etwa zwei Wochen lang in acht regionalen Wahlzentren, wohin die Stimmen per Auto, Helikopter oder Esel transportiert werden. Erhält kein Kandidat mindestens 50 Prozent der gültigen Stimmen, kommt es zwei Wochen nach Verkündung des Ergebnisses zu einer Stichwahl zwischen den beiden Bestplatzierten. Wegen Ramadan und Winterbeginn könnte dies allerdings problematisch werden.

Zur Wahl stellen sich 18 Kandidaten, die jeweils mit zwei Vizekandidaten antreten. Neben dem großen Favoriten, dem Amtsinhaber Hamid Karsai, sind Junus Kanuni und Massuda Dschalal am interessantesten.

Junus Kanuni ist der aussichtsreichste Herausforderer Hamid Karsais. Der 47-Jährige war ein enger Weggefährte von Ahmed Schah Massud, der vom Pandschir-Tal aus zuerst die Sowjets erfolgreich bekämpfte und dann bis zu seiner Ermordung 2001 den Taliban Widerstand leistete. Kanuni war 1993 Verteidigungsminister einer Regierung sich befehdender Mudschaheddin und überlebte damals einen Anschlag schwer verletzt. Seitdem hat er eine Gehbehinderung.

Bei der Bonner Afghanistan-Konferenz im Dezember 2001 vertrat er die Nordallianz und beeindruckte durch großes Verhandlungsgeschick. In der ersten Karsai-Regierung war er Innenminister. Unter Druck trat er zurück, weil die Fraktion aus dem Pandschir-Tal als zu übermächtig galt. Kanuni hoffte auf den Posten des Vizepräsidenten, wurde aber nur Erziehungsminister.

Als Karsai Verteidigungsminister Mohammed Kasim Fahim nicht zu seinem Vizekandidaten machte, verkündete Kanuni seine eigene Kandidatur. Fahim und Außenminister Abdullah Abdullah unterstützen Kanuni. Die drei können auf mächtige Milizen und einen starken Rückhalt unter nordafghanischen Tadschiken zurückgreifen.

Massuda Dschalal ist die einzige weibliche Kandidatin. Die mutige Ärztin kandidierte bereits bei der Loja Dschirga im Juni 2002 gegen Karsai und kam überraschend auf den zweiten Platz. Das machte sie damals landesweit bekannt. Sie ist die erste Frau, die sich je in Afghanistan um das Präsidentenamt bewarb. Dschalal argumentiert, dass in dem Land nur die Frauen kein Blut an den Händen haben.

Die 41-Jährige fordert eine Entmachtung der Warlords, sagt aber nicht, wie dies geschehen soll. Zu Karsai sagt sie: „Er ist mit den Warlords, ich bin mit den Menschen. Ich bin unabhängig, er ist es nicht.“ Während der Taliban-Zeit arbeitete die Mutter dreier Kinder für das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP).

Selbst wenn Massuda Dschalal als chancenlos gilt, wird ihre Kandidatur als Ermunterung für Frauen gewertet, sich am politischen Prozess zu beteiligen.

SVEN HANSEN