„Wie Tyson, der nicht boxen will“

Im Künstlercafé Schabander in der Bagdader Innenstadt sind sich wieder alle einig. Die Gäste haben jegliche Illusion über den Aufbauwillen der Amerikaner verloren

BAGDAD taz ■ Jeden Freitag treffen sich im Schabander-Café im Zentrum Bagdads, direkt neben dem Buchmarkt, Intellektuelle und Künstler. Das war schon während des Irankriegs so, während der zwei Kriege mit den Amerikanern und auch während der zwölf langen Jahren UN-Sanktionen. Nur in der kurzen Zeit nach dem Sturz von Saddam Hussein war man sich hier nicht mehr einig. Das Café drohte sich in zwei Lager zu spalten.

Die einen setzten all ihre Hoffnungen in die amerikanischen Besatzer, und die anderen Besucher des Cafés Schabander applaudierten jeder Operation des irakischen Widerstands. Heute allerdings können alle wieder miteinander sprechen. Sie haben jegliche Illusion über ihre Zukunft verloren. Daran hat auch die große Irak-Geberkonferenz im weit entfernten Spanien wenig geändert, die gerade zu Ende geht, als an diesem Freitag alle im Café an ihren Gläsern mit schwarzem süßem irakischem Tee nippen und über die ungewisse Zukunft sprechen.

Abu Rafaat ist eigentlich jemand, der die Amerikaner mit offenen Armen begrüßt hatte. Der Englischlehrer, der mit seinem Strohhut in der Ecke des Cafés sitzt, liebt neben der Literatur ganz besonders alte amerikanische Filme. „Das Problem ist nur, dass die Amerikaner aus dem Filmen so gar nichts mit jenen zu tun haben, die heute auf Bagdads Straßen patrouillieren“, sagt er. „Wir haben so viel erwartet und außer schönen Worten nichts bekommen.“ Was die Iraker heute erlebten, sei die „Demokratie der Diebe und Plünderer“. Er selbst sei in den letzten Monaten fünfmal bestohlen und beraubt worden, und einmal wäre er fast erschossen worden.

„Wenn US-Verwalter Paul Bremer spricht, klingt er irakischer als die Iraker selbst, aber am nächsten Tag passiert nichts, außer dass dir ein Unbekannter auf der Straße eine Pistole an den Kopf hält“, sagt der Lehrer. Die Amerikaner seien zweifellos die Besten, wenn es darum gehe, eine Armee innerhalb weniger Wochen zu zerstören, vom Wiederaufbau eines Landes aber hätten sie keine Ahnung, glaubt der 53-Jährige. „Wenn es um ihr Militär geht, können sie innerhalb einer Woche ein Kabel von Washington nach Bagdad verlegen, aber innerhalb von sechs Monaten können sie unser Stromnetz nicht reparieren“, sagt Abu Rafaat verbittert. Er spreche hier nicht von Bangladesch, sondern von der stärksten Macht auf der Welt, die keine Ausreden dafür haben sollte, dass im Irak nichts geschieht. „Das ist, wie wenn dir Mike Tyson erklärt, er könne nicht boxen.“

Auch der Ingenieurwissenschaftler Muhammad Madfai am Nebentisch weiß, was er den Amerikanern zu verdanken hat: „Ohne sie hätte das Regime noch 400 Jahre weitergemacht“, sagt er. Er arbeitet mit ihnen, im neu gegründeten Technologieministerium. Die Madrider Konferenz ist für ihn ein Muss. „Wie kann man dagegen sein, wenn in der Zentralbank kein einziger Dollar mehr liegt“, sagt er. Aber wie viele andere zeigt er sich skeptisch, welche Motive hinter dem Geben stecken. Sie sollten uns das Geld geben und uns in Ruhe unsere Politik machen lassen“, meint er. In Madrid gehe es den Gebern schließlich nur darum, sich selbst im künftigen Irak zu positionieren und Allianzen mit jenen zu schmieden, die hier einmal die Entscheidungen treffen werden, sagt er.

„Wer immer uns Geld gibt, stets hinterfragen wir skeptisch seine Absichten“, meint auch der Buchhändler Ihsan Chafafdschi und zitiert dann eine bekannte arabische Geschichte von einem fremden Mann, der ein weinendes Kind aus einem dunklen Zimmer trägt. Das Kind beginnt noch lauter zu weinen. „Warum weinst du, ich trage dich doch ans Licht?“, fragt der fremde Mann, und das Kind antwortet: „Nicht vor dem Dunkeln, sondern vor dir fürchte ich mich.“

KARIM EL-GAWHARY