Gans tolles Erlebnis

Der Niederrhein wird wieder von Wildgänsen besiedelt. Die Zugvögel gehen hier dem arktischen Winter aus dem Weg – ein Naturspektakel

Die Bedeutung der Wildgänse für den Tourismus wird jedes Jahr größer

VON BORIS R. ROSENKRANZ

Sobald der bitterkalte Winter beginnt, sich mit der arktischen Tundra zu beschäftigen, nehmen die Wildgänse Reißaus. Ihr Ziel: Deutschland, genauer: der Niederrhein zwischen Duisburg und dem niederländischen Nimwegen, das größte binnenländische Schutzgebiet für Wasservögel in der Republik. Rund 200.000 Wildgänse, darunter Blässgänse, Saatgänse, Grau- und Weißwangengänse, nisten sich bis Februar in den mild temperierten Wiesen und Weiden am Niederrhein ein. Ein Naturspektakel, das Jahr für Jahr Unmengen Schaulustige anzieht – und außerdem, ganz nebenbei, die regionale Touristikbranche belebt.

Michael Schmolz von der Kranenburger Station des Naturschutzbundes Deutschland, (NABU), organisiert seit nunmehr 13 Jahren Ausflüge zu den Gänsen. „Wir haben insgesamt 23.000 Besucher zu den Nist- und Schlafplätzen geführt“, sagt Schmolz. Und in wenigen Wochen beginnt die nächste Saison, die ersten Gänse sind schon da. Jeden Sonntag, außer an Weihnachten, wo viele Menschen aus Tradition der Gans den Hals umdrehen, nimmt Schmolz die Fährte der Ausreißer auf. Begleitet wird er dann von ganz unterschiedlichen Menschen: „Wir haben bunt gemischtes Publikum“, sagt der Naturschutzreferent. Ob Kegelvereine, Wanderer, Schulklassen oder schlicht Naturfans – sie alle schließen sich den Exkursionen begeistert an. Warum? „Weil es ein tolles Erlebnis ist, wenn die Gänse zu Tausenden über einen hinweg streichen.“

Die Touristikbranche kann das nur freuen. Schließlich wird die Region in den Wintermonaten nicht nur von den Gänsen beglückt, sondern auch von Touristen – und die bringen bekanntlich Geld. Deshalb ist der NABU nicht die einzige Organisation, die derlei Expeditionen à la Sielmann anbietet. Auch die Touristik-Agentur Niederrhein (TAN) hat das Schauspiel auf dem Programm. „Wir arbeiten Hand in Hand mit den Naturschutzorganisationen“, sagt Sandra Schirp, Sprecherin der TAN. Das sei wichtig, um einen „sanften Tourismus“ zu gewährleisten. Die Bedeutung der Wildgänse für die Hotels und Gastronomen in der Region wird laut Schirp jedenfalls „jedes Jahr größer“. Außerdem könne man den Ausflug ja auch gut mit einem Bummel über den Weihnachtsmarkt verbinden. Gänse? Weihnachten? War da nicht was?

Auch der Naturschützer hat die Hotels und Gaststätten im Auge. Schmolz räumt ebenfalls ein, den Tourismus in der Region „ankurbeln“ zu wollen. Damit der aber nicht Überhand nimmt, die Naturfreunde nicht in Blechlawinen anrollen und die Gänse vollends verschrecken, rät Schmolz davon ab, auf eigene Faust auf optische Gänsejagd zu gehen. „Wir wollen erreichen, dass die Tiere viel Ruhe haben“, sagt er. Denn er weiß: „Gänse sind doch recht scheu.“

Touristen mit schnatternden Fotoapparaten aber nicht. Denn nur Natur scheint den Besuchern offensichtlich nicht zu genügen. Deshalb weitet der NABU seine Exkursionen in diesem Jahr erstmalig aus: An zwei Sonntagen wird es nach den Ausflügen noch einen Stadtrundgang durch Kranenburg geben, einen Museumsbesuch und „eine typisch niederrheinische Kaffeetafel in einem urigen Keller“, freut sich Schmolz. Ohne deftiges Rahmenprogramm geht heute eben gar nichts mehr.

Die NABU-Saison dauert vom 14.11.2004 bis zum 20.02.2005,Touren immer sonntagsInfos: 02826/92094