Philipp Mausshardt über KLATSCH
: Dieter Bohlen ist nicht geizig

Mit Geld sparsam umzugehen, ist eine große Kunst. Obwohl gebürtiger Schwabe, beherrsche ich sie nicht

Viele Missverständnisse in unserer Welt basieren auf der Verwendung falscher Begriffe. Dieter Bohlen ist nicht geizig, er ist nur sparsam. Und Günther Jauch nicht habgierig, sondern nur geschäftstüchtig. Bohlen, den man jetzt von Mallorca verjagte, weil er dem Umsatz der Insel großen Schaden zufügte, erkundigte sich im Restaurant immer erst nach den Preisen, ehe er für seine Freundin die billigste Pizza bestellte. Einem Karlheinz Bronski aus Süderstadt würde man daraus nie einen Vorwurf machen. Nur weil Bohlen viel Geld hat, soll er auch verschwenderisch damit umgehen? Es wird Zeit, die Dinge zurechtzurücken.

Der Münchner Hündchenhalter Rudolph Moshammer zum Beispiel: Der fährt in einem geliehenen Rolls-Royce immer nur dann zu einer Party, wenn es keinen Eintritt kostet und das Essen und Trinken umsonst ist. Alle sehen nur das große Auto und denken: Der Mann muss reich sein. Wer weiß schon, dass er seinem Fahrer nicht einmal einen Lohn bezahlen kann und der ihn nur chauffiert, weil er sich ein wenig in Moshammers Umgebung sonnen will. Selbst die Chauffeursmütze musste sich Moshammers Fahrer selbst kaufen.

Den Makel, geizig zu sein, handeln sich Prominente allerdings meist dann erst ein, wenn sie sich von Freundin oder Frau trennen. Seither wissen wir: Klaus Wussow – ein hartherziger Geizhals, der seine Exfrau Yvonne aufs Sozialamt schickt. Roberto Blanco – seine Freundin lebt von Arbeitslosenhilfe. Und Udo Jürgens – nach 24 Ehejahren fiel seiner Frau auf: „Er war immer so geizig.“ Die postamouröse Empörung ist groß.

Dass Deutschlands reichste Brüder, Karl und Theo Albrecht, durch den Geiz aller anderen erst zu dem wurden, was sie sind, regt dagegen niemanden auf. Sie gründeten vor über 50 Jahren die Firma Aldi, um selbst billig einkaufen zu können. Ein genialer Schachzug, wie man heute weiß. Ihr Vermögen wird auf 30,3 Milliarden Euro geschätzt. Sie leben zurückgezogen und gehen jeden Sonntag in die Kirche. Ob sie ihrem Gärtner jemals ein Trinkgeld gaben, ist nicht bekannt. Trotzdem werden sie – verkehrte Welt – in der Öffentlichkeit des Geizes verdächtigt.

Vielleicht kann diese Zeilen nur einer schreiben, der in jenem Bundesland aufwuchs, das als die Heimat des Geizes gilt. Die Schwaben, so wird bösartig behauptet, sind vor langer Zeit aus Schottland ausgewiesen worden, weil sie zu geizig gewesen sind. Und der Kupferdraht sei in Stuttgart erfunden worden, nachdem zwei Schwaben gleichzeitig einen Pfennig von der Straße aufzuheben versuchten. Ja, lacht ihr nur. Wir wissen es besser: Sparsamkeit ist eine Tugend, Geiz dagegen eine Todsünde. Das ist der feine Unterschied.

Mir selbst ist leider beides fremd. Und meine Unfähigkeit, mit Geld umzugehen, versuche ich mit dem Begriff „Großzügigkeit“ zu bemänteln. Ich habe noch immer jede Rechnung bezahlt und als gegeben hingenommen. Ich wäre gerne ein wenig wie Dieter Bohlen, aber ich kann nicht. Um Preise zu feilschen, ist mir peinlich.

Vergangene Woche sprach mich in Rom ein Mann auf der Straße an. Es war spätabends, und ich war vom Restaurant auf dem Weg zurück ins Hotel. Er erkundigte sich nach der Via Liguria, sagte, er sei Grieche und auf Geschäftsreise und wolle noch in einem ihm empfohlenen Lokal ein Bier trinken. Ob er mich auf ein Bier einladen dürfe?

Vielleicht hätte ich misstrauischer sein müssen. Aber ich hatte Zeit und noch keine Lust, zu schlafen, und willigte ein. Sein Lokaltipp stellte sich als Nachtlokal heraus. Ich hätte noch immer umdrehen können. Aber er wollte ja das Bier bezahlen und tat das dann auch.

Zwei Frauen setzten sich neben uns, und die eine rückte mir immer näher. Der Kellner fragte, ob er den Damen etwas einschenken dürfe. Spätestens jetzt hätte ich wie Dieter Bohlen nach den Preisen fragen müssen. Aber ich nickte nur. Ich nickte sogar ein zweites Mal, als er später mit einer zweiten Flasche kam.

Um es kurz zu machen: Ich, Schwabe, zahlte zum Schluss 817 Euro und fühlte mich ziemlich dämlich. Aber großzügig klingt als Begriff einfach viel schöner.

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