Fernsehduell in Superzeitlupe

MÜNSTER taz ■ Es sollte so amerikanisch sein, und dann war doch alles so westfälisch: Ein Wahlverlierer als Büßer, ein Herausforderer als Ratgeber und ein Streitgespräch in Zeitlupe: Beim großen “TV-Duell“ der Bewerber um das Amt des münsterischen Oberbürgermeisters, das der Lokalsender TV Münster am Donnerstagabend zeigte, trafen Kiepenkerle aufeinander.

CDU-Amtsinhaber Berthold Tillmann und SPD-Kandidat Christoph Strässer sind von ruhigem Naturell. So blieben sie lieber vor den Kameras sachlich, als den Gegner vor der Stichwahl persönlich zu attackieren. Dabei hätte Tillmann genügend Angriffsfläche geboten: Seine Entscheidung, einen Tag nach der Wahlschlappe am 26. September das Lieblingsprojekt Ludgeri-Parkhaus zu kippen, trug ihm im eigenen Lager eine Menge Ärger ein. In der CDU macht seitdem das Wort vom „Umfaller“ die Runde.

Tillmann verteidigte sich im „TV-Duell“: Hinter dem Aus für das Projekt stecke Lernfähigkeit. „Ich habe das Ausmaß der Kritik unterschätzt“, erklärte Tillmann und gelobte feierlich: Falls er an der Spitze der Stadt bleibe, werde er „viel mehr mit den ganz normalen Bürgern sprechen“. Zugleich bemühte er sich, das gescheiterte Parkhaus als ein Projekt unter vielen darzustellen, dessen Bedeutung „mystisch überhöht“ worden sei.

Bei so viel Selbsterkenntnis traute sich Christoph Strässer nur ganz vorsichtig darauf hinzuweisen, dass die Geschichte bei ihm einen „schalen Nachgeschmack“ hinterlasse. Der SPD-Kandidat hatte schon genug Probleme damit, zu erklären, wie er selbst nach einem Sieg am Sonntag regieren will: Die fast fertig geschmiedete schwarz-gelbe Koalition besetzt exakt die Hälfte der Sitze im Rat, OB Strässer müsste sich für jede Entscheidung wechselnde Mehrheiten zusammenklauben.

Ob es dazu kommt, ist nach dem höflichen Fernsehgeplänkel fraglich. Dem netten Phlegmatiker Strässer scheint es zu reichen, dass er Berthold Tillmann zum Nachdenken gebracht hat. Jetzt noch das Rathaus stürmen? Nee, lieber doch nicht. JÖRG GIERSE