Kein Platz für Frankensteins Freudenhaus

Ein Hamburger Unternehmer wollte am Rande des Heideortes Heidenau ein Bordell errichten. Doch die Bürger des 2.000-Seelen-Dorfes brachten das Projekt zu Fall. Ein angedrohter Banken-Boykott machte dem „Wellness-Elysium“ den Garaus

Von Marco Carini

Es geht um Moral, einfache Moral und doppelte. Und um Geld. Um käuflichen Sex. Um die Rechte von Prostituierten. Es geht um Sicherheit und Volkes Stimme. Es geht um Heidenau, ein 2.000-Seelen-Dorf im Norden Niedersachsen unweit der Autobahn-Trasse zwischen Hamburg und Hannover. Und es geht um ein Großbordell, dass hier entstehen sollte und nun nicht entstehen darf. Aber der Reihe nach.

Einen „Heidepark“ der besonderen Art wollte der Hamburger Unternehmer Jochem Frankenstein im Heidenauer Gewerbegebiet, abseits vom Dorfkern, errichten: Das „Elysium“, so der geplante Name, sollte ein Wellnessclub mit künstlichen Felsen und Wasserfällen, Palmen und Großaquarium werden, in dem ausdrücklich auch „sexuelle Dienstleistungen“ auf dem Fitnessprogramm stehen sollten. Ein ordentliches (Freuden-) Haus, befand Frankenstein: Die käuflichen Damen sollten jenseits von Zuhältermilieu und Schmuddelambiente ihre Gäste bedienen, und ihren Liebeslohn selbstverständlich auch versteuern. Und da Frankenstein „kein Bordell gegen die Bürger, sondern für und mit den Bürgern“ bauen wollte, setzte er auf die Beteiligung der Bevölkerung. Ein Fehler, wie er heute weiß.

Als im September der Gemeinderat tagte, war der Versammlungsraum zum Bersten voll. Dass auch die eigens aus Berlin angereiste Stephanie Klee, Chefin der Hurengewerkschaft „Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen“, das Frankenstein-Konzept lobte, interessierte die Heidenauer kaum. „Mit der Mistgabel“ solle man Frankenstein aus dem Ort jagen, befand ein aufgebrachter Bürger. Eine prompt ins Leben gerufene Bürgerinitiative begann anschließend Unterschriften zu sammeln für eine Befragung aller wahlberechtigten Heidenauer zu dem geplanten Großbordell, das täglich 300 Kunden anlocken und üppige Gewerbesteuern in die Gemeindekasse spülen sollte.

Im Heidenauer Hof warnten vergangenen Montag schließlich zwei kundige Polizisten aus den benachbarten Kleinstädten Winsen und Tostedt rund 160 versammelte Heidenauer davor, das kleine, feine Örtchen zum Sündenpfuhl verkommen zu lassen. „Moderne Tierhaltung“, befand Ulrich Grimm, Leiter des Winsener Kriminalermittlungsdienstes, sei da in Frankensteins Freudenhaus geplant: „Was da drin passiert, ist nicht zu kontrollieren.“ Auch die beschwichtigende Aufforderung eines anwesenden SPD-Ratsherrn, sich an die Fakten zu halten, konnte die Volksseele nicht abkühlen. Obendrein schaltete sich auch noch der Kirchenkreis ein: Das Frankenstein‘sche Konzept der Nächstenliebe werde hier in Heidenau niemals den göttlichen Segen erhalten. „Wenn Herr Frankenstein Gutes tun will, dann soll er das auf der Reeperbahn tun“, löste Christoph Künkel, Superintendent des Kirchenkreises Hittfeld, kurzerhand die Standort-Frage.

Das Aus fürs Freudenhaus bescherten dem Hamburger Unternehmer aber weder Kirche noch Kripo, sondern das örtliche Kreditinstitut. Über Wochen drohten die um den sauberen Ruf ihrer Heimat besorgten Heidenauer mit einem Boykott der Geester Volksbank, deren Tochtergesellschaft BEG Frankenstein ein geeignetes Gelände angeboten hatte: Mit Kontenkündigungen sollte das Geldinstitut in die Knie gezwungen werden.

Am vergangenen Donnerstag folgte dann tatsächlich der Kniefall der Kreditmakler vor der aufgebrachten Kundschaft: Nachdem die Volksbank die BEG öffentlich unter Druck gesetzt hatte, zog diese ihr Grundstücksangebot kurz vor Beginn einer weiteren einberaumten Bürgerversammlung zurück.

Während sich die Mitglieder der örtlichen Bürgerinitiative „glücklich und erleichtert“ über ihren gelungenen Nötigungsversuch äußerten, gab sich Groß-Investor Frankenstein „tief enttäuscht“ über das für ihn „völlig unerwartete“ Ende des Elysiums. „Die Bürgerinitiative hat eine Volksabstimmung initiiert und sie dann hintenrum verhindert“, lautet das Fazit des 42-Jährigen: „Ich war bis zuletzt fest überzeugt, dass diese Befragung abgewartet wird und Grundlage jeder Entscheidung ist.“

Doch der Unternehmer, der mit seinen Plänen zuvor schon in Winsen und Garstedt gescheitert war, hat bereits einen neuen Standort im Visier. Der aber soll zunächst geheim bleiben. „Ich habe leider gelernt“, klagt Frankenstein: „Mit Offenheit komme ich nirgends zum Ziel.“