Manchmal gebraucht

Ob Stehlampe, Kuschelpullover oder der Schmöker fürs Bett – wer sich aus zweiter Hand bedient, kann auch mit studentisch-kargem Budget auskommen. Ein kleiner, subjektiver Streifzug durch Hamburgs Second-Hand-Läden

von Sandra Pingel

Vor einer Woche habe ich mein erstes Zimmer in Hamburg bezogen. In wenigen Wochen fange ich an zu studieren. Im Kopf habe ich mich schon darauf eingestellt, das Univiertel erkundet und mich durch die „Politikwissenschaft“ von Hiltrud Naßmacher gequält. Jetzt würde ich es mir gern mit einem guten Buch im Bett bequem machen. Das Bett habe ich schon, vieles andere fehlt mir noch.

Eine Lampe muss her. Außerdem ein kuscheliger Pullover gegen das Hamburger Schmuddelwetter. Ein neues Buch wäre auch nicht schlecht. Der Umzug hat sich in meinem Portemonnaie aber deutlich bemerkbar gemacht und so ziehe ich los: Kaum Geld in der Tasche und viele Wünsche im Kopf.

Erste Station: Der Buch- und CD-Shop Zardoz in der Ottenser Hauptstraße 19. Auf drei Etagen gibt es hier Secondhand-Literatur in vielen verschiedenen Sprachen, Bildbände, Reiseführer und Fachliteratur. Im ersten Stock, wo die Prosa steht, winkt es mir zu – mein Buch für diesen Abend. „Mein New York“ von Paul Auster, das hat mir noch gefehlt in meiner Sammlung. 3,50 Euro muss ich dafür hinlegen. Nicht gerade wenig für ein Exemplar aus zweiter Hand, dafür sieht es jedoch so aus, als sei es von seinem Vorbesitzer lediglich aus der Folie gepellt worden.

Die CDs, die bei Zardoz angeboten werden, lasse ich links liegen, zu teuer für meinen Geschmack. Im Erdgeschoss lockt mich die Espressobar, aber ich bleibe standhaft.

Okay, jetzt die Klamotte. Neulich bin ich zufällig auf diesen kleinen, stylishen Laden in der Innenstadt gestoßen. „Vintage & Rags“ (Kurze Mühren 6) ist kein müffelnder Altkleidercontainer. Auf eineinhalb Etagen gibt es ein kunterbuntes Sortiment aus Samt-, Cord- und Lederjacken, Jeans und alles für Acrylliebhaber mit Hang zu knalligen Farben. Die Preise variieren stark. Mal gibt es echte Schnäppchen, dann wieder kann man für eine unscheinbar aussehende Jacke locker 100 Euro hinblättern.

Es dauert eine Weile, aber Geduld bringt Rosen, beziehungsweise meinen Pulli. Er ist wunderschön, warm und kostet ganze 19,90 Euro. Ich streichle die kuschelige Wolle und muss unwillkürlich an Irland denken. Dort ist es jetzt genauso kalt.

Mit der U-Bahn fahre ich nach Wandsbek. In der Von-Bargen-Straße 18 soll es eine staatliche Einrichtung geben, die Sperrmüll in Möbel zurückverwandelt. Das Projekt will Arbeitslose wieder in den Arbeitsmarkt integrieren. Ich bin gespannt.

Die Atmosphäre im HAB-Kaufhaus erinnert zwar stark an eine Lagerhalle, aber die Preise: himmlisch. Die Verlockung ist groß, eine komplette Wohnungseinrichtung zu erstehen. Ich klammere mich an meine Einkaufsliste. Momentan gibt es in der Abteilung Stehlampen nur welche aus Großmutters Zeiten, dafür kosten sie aber auch nicht viel. Für zehn Euro bin ich dabei. Macht bisher 33,40 Euro.

Das verheißungsvolle Knistern von Geldscheinen ist jetzt verstummt. Lediglich ein paar Münzen klimpern noch in meiner Geldbörse, mein Magen knurrt im Takt dazu. Mit meinen günstig erstandenen Kostbarkeiten trete ich den Weg zur U-Bahn an. In einer der vielen Volksküchen Hamburgs werde ich mir gleich noch ein Abendessen gönnen. Gedanklich werde ich dabei jedoch schon meilenweit weg sein. Paul Auster will mir noch von seinem New York erzählen.