Ein Plätzle im Wald

Die „Kleine Welt Show“ beleuchtete im Jungen Theater das Knutschverhalten geschlechtsreifer Landjugendlicher

Wildunfälle und Weizenbier mit Banane: Diese Dinge bleiben in der Erinnerung von Künstlern, die Anfang 30 sind, in der Provinz aufwuchsen und heute in Berlin leben. Am Freitag erinnerten sich vier von ihnen im Jungen Theater unter dem Titel „Kleine Welt Show“ an das Damals.

Und das mit Hilfe unterschiedlichster Medien: Florian Thalhofer dirigiert die Show per Laptop, schickt als Bühnenbild ein interaktives Fotoalbum mit kommentierenden Statements auf die Leinwand. Die Autoren Kolja Mensing („Wie komme ich hier raus?“ ) und Tobias Hülswitt („Saga“) lesen dazu aus ihren Büchern. Und der Musiker Jim Avignon singt trashige Lieder zu programmierten Elektrosounds: Kurze Beiträge, die sich rasch abwechseln.

Schwandorf, Westerstede, Auerbach: Im Kern sind die Geschichten über das Aufwachsen am Arsch der Welt gleich. Die Darbietungen der „Provinzler“ ergänzen sich gegenseitig. Das macht den Abend so schön: Wenn ein Foto von Thalhofer die Frage aufwirft, worüber sich Jugendliche am See unterhalten, dann liest Mensing eine Passage übers Komasaufen: „Wir haben gesoffen, damit wir etwas hatten worüber wir reden konnten“.

Einzeln würden die Beiträge – mit Ausnahme von Thalhofers Fotoalbum – kaum abendfüllenden Tiefgang erreichen. Doch wenn die Vier ihre Erfahrungen mit Drogen, Dorfdiskos und geheimen Knutschplätzen zusammenwürfeln, dann ensteht ein schönes Provinzbild, das sich so wohl in jedem Winkel Deutschlands finden lässt.

Alles wirkt noch echter, wenn der Ablauf im Chaos versinkt. Das Semiprofesionelle passt eh gut zum Provinzjungen-Image. Zur Entschädigung gibt’s ein Lied und Mixgetränke fürs Publikum: „Rotwein-Cola“, oder eben „Bananenweizen“. Zu spüren: Der kalte Schauer der Erinnerung.

Tim Ackermann