Geldbeutel unter Strom

Verbraucherschützer und Industrie kritisieren Versorger wegen steigender Energiepreise. GAL spricht von „Abzocke“ auch bei privaten Kunden. Niveau bald höher als vor der Liberalisierung. Erzeuger verweisen auf Öko-Abgaben und den Weltmarkt

von gernot knödler

Die HamburgerInnen müssen sich auf kräftig steigende Energiepreise einstellen. Bereits zum 1. Oktober hat E.on Hanse, ehemals Heingas, ihren Gaspreis für Haushaltskunden um rund zehn Prozent erhöht. Zum 1. Januar wollen die HEW, die noch immer den allergrößten Teil der Hamburger Haushalte mit Strom beliefern, ebenfalls die Preise anziehen. Der Tarif HEW Classic soll um vier bis sechs Prozent teurer werden. Die Strompreise für die Industrie sind bereits jetzt deutlich höher als vor der Liberalisierung des Marktes. Kritiker bestreiten die Notwendigkeit dieser Preiserhöhungen. Sie werfen den Atomenergie-Konzernen vor, sich mit Hilfe ihrer Marktmacht zu bereichern.

Vergleichsweise einfach liegt der Fall beim Erdgas. Dessen Preis ist durch langfristige Verträge der deutschen Versorger mit ihren Lieferanten an den Ölpreis gekoppelt. Sie folgen mit einem Abstand von einem halben Jahr den Ölpreisen – eine Praxis, die immer wieder kritisiert wird. Die Gasversorger begründen die Koppelung damit, dass der Markt für Öl besser funktioniert als der für Gas.

Der Bund der Energieverbraucher wirft den Gasversorgern vor, sie verlangten als Gebietsmonopolisten überhöhte Preise. Statt Aufschlägen von sieben bis zwölf Prozent ließen sich derzeit höchstens zwei Prozent rechtfertigen. Die Verbraucherzentrale bietet einen Musterbrief an, mit dem man die Zahlung von Preisaufschlägen über diese zwei Prozent hinaus verweigern kann.

Beim Strom argumentieren die HEW mit „gestiegenen Beschaffungskosten und politisch verursachten Zusatzlasten für den Klimaschutz“. Bei einem Jahresverbrauch von 3.500 Kilowattstunden, der einem durchschnittlichen Drei-Personen-Haushalt entspricht, ist im Classic-Tarif zurzeit etwas mehr pro Kilowattstunde zu zahlen als vor der Liberalisierung des Strommarktes vor fünf Jahren: 18,86 Cent gegenüber 18.34 Cent. Am niedrigsten lag der Preis mit 17,19 Cent im Jahr 2000, kurz nach der Liberalisierung.

Seitdem bieten die HEW unter der Bezeichnung HEW Future auch einen billigeren Tarif an, der die Stromversorgung ebenfalls sicher gewährleistet. Mit der jetzigen Preisanhebung dürften sich beide Tarife stark annähern. Ein Haushalt mit einem Stromverbrauch von 1.000 Kilowattstunden im Jahr wird ab dem 1. Januar 10,20 Euro mehr für seine Stromrechnung bezahlen müssen, ein Haushalt mit 3.500 Kilowattstunden Jahresverbrauch 35,40 Euro.

Lediglich der Classic-Tarif muss behördlich genehmigt werden. Das liegt daran, dass die HEW die Grundversorgung mit Strom gewährleisten müssen. „Jeder kriegt Strom, ganz gleich welchen Aufwand die HEW dafür betreiben müssen“, sagt Christian Saadhoff von der Wirtschaftsbehörde. Diese rechnet jedoch nur nach, ob der Tarif betriebswirtschaftlich plausibel ist. Ob die marktwirtschaftlichen Spielregeln eingehalten werden, prüft sie nicht .

Aus Sicht der GAL läuft die geplante Preiserhöhung auf „Abzocke“ hinaus. „Ich habe den Eindruck, dass die HEW noch mal einen kräftigen Schluck aus der Pulle nehmen will, bevor der Bundestag eine wirksame Regulierungsbehörde für den Strommarkt schafft“, sagt der Abgeordnete Christian Maaß.

Demgegenüber argumentieren die HEW, dass ein immer geringerer Prozentsatz des Strompreises für Erzeugung, Transport und Vertrieb aufgewendet werde, also für die Versorger abfalle. Bei dem Drei-Personen-Beispielhaushalt seien es 1998 gut 73 Prozent gewesen und 2004 nur noch gut 58 Prozent. Beim Industriestrom sei dieser Anteil von 84 auf 65 Prozent gesunken. Der Rest entfalle auf Abgaben nach dem Kraft-Wärme-Koppelungs-Gesetz, dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, die Konzessionsabgabe, die Ökosteuer und die Umsatzsteuer.

Die betreffenden Steuern seien in den vergangenen Jahren gar nicht gestiegen und für 2005 keine Steuererhöhungen angekündigt, kontert die GAL. Auch Werner Marnette vom Industrieverband lastet die aktuellen Preiserhöhungen den vier Stromriesen RWE, E.on, EnBW und der HEW-Mutter Vattenfall an (siehe Text rechts).