Auf schmaler Spur

Die Hochschulen müssen ihre Studiengänge europatauglich machen. Die Wirtschaft aber sieht die Teilung in Bachelor und Master mit großer Skepsis und warnt vor Qualitätsverlust. Künstler wollen gar nicht verkürzen

Von EVA WEIKERT

Dietrich Büscher hat beim Bachelor ein „ungutes Gefühl“. Natürlich begrüße die Wirtschaft kürzere Studienzeiten, betont der Personalplaner beim Flugzeugbauer Airbus in Hamburg: „Aber die Grundlage darf nicht so schmal werden, dass es schwierig wird, darauf aufzubauen.“ Doch das steht zu befürchten. Wirtschaft und Hochschulen zufolge droht durch die Zweiteilung des Studiums massiver Qualitätsabfall. Der Maschinenbauerverband VDMA erklärte kürzlich, die Aufgabe der durchgängigen Diplomstudiengänge sei bei vielen Firmen „heftig umstritten“. Für „Schmalspuringenieure“ habe die Branche „keine Verwendung“. Und auch die Hamburger Architektenkammer warnt: „Es kann nicht sein, dass einer nach ganz kurzer Studienzeit schon Architekt sein will.“

Grund der Aufregung ist die europaweit vereinbarte Einführung vergleichbarer Studienabschlüsse. In Hamburg hat Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos) die Hochschulen verpflichtet, das internationale Bachelor-Master-System bis 2009 zu etablieren. Künftig gilt der anglo-amerikanische Bachelor als neuer Regelabschluss, der nach sechs bis acht Semestern gemacht werden muss. Für den Master, Nachfolger von Diplom und Magister, gibt es maximal vier Semester dazu. Insgesamt darf höchstens fünf Jahre studiert werden.

„Gerade der Mittelstand weiß nicht, was auf ihn zukommt“, warnt Hamburgs Handelskammerchef Hans-Jörg Schmidt-Trenz und kritisiert: „Die Wirtschaft kann nichts anfangen mit einem, der nur sechs Semester studiert hat.“ Der Gesetzgeber erhofft sich jüngere Absolventen und praxisnähere Lehre von der Zweiteilung des Studiums.

Gar nichts anfangen mit der neuen Struktur können indes die Kunsthochschulen. Deren Rektorenkonferenz hat sogar beschlossen, das Bachelor-Master-System überhaupt nicht einzuführen. „Wir betreiben schließlich keine Wissensvermittlung“, begründet Martin Köttering, Chef der Hamburger Kunsthochschule (HfbK), die Ablehnung der neuen Fristen. Doch am Gesetz kommt auch die HfbK nicht vorbei. Köttering wartet jetzt auf ein Wort der Kultusminister, die bald über einen verlängerten Bachelor für die Künstler beraten wollen.

Um Zeit geht es auch Josef Düren von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW), Hamburgs früherer Fachhochschule. Wie der Dekan des Fachbereichs Fahrzeugtechnik und Flugzeugbau rügt, hätte ein nur sechssemestriger Bachelor „ein deutlich niedrigeres Niveau gegenüber dem heutigen achtsemestrigen Diplomstudium zur Folge“ und brächte das „Ende der Erfolgsstory Fachhochschule“.

Ließe sich doch in drei Jahre weder ein Praxissemester noch eine umfangreiche Abschlussarbeit pressen, die den Weg ins Berufsleben ebneten. Auch die Industrie, so Airbus-Personalplaner Büscher, „beunruhige sehr, dass durch die Studiumsverkürzung Praktika und Abschlussarbeiten in der Industrie auf der Strecken zu bleiben drohen.“ Zugleich wolle man Einsteiger „ja schnell einsetzen ohne Zusatzqualifikationen, die wir finanzieren“. „Ratlosigkeit in Bezug auf die neuen Abschlüsse“ herrscht auch beim Hamburger Chemieriesen Beiersdorf, wie Sprecher Klaus Peter Nebel einräumt. Bisher sei der sechsemestrige Bachelor „wie ein Vordiplom“ und qualifiziere vielleicht für den Laboranten, einen Lehrberuf.

Ob solcher Skepsis drängt Dekan Dürer auf Ausnutzung des Spielraums: Er fordert einen achtsemestrigen Bachelor für Fachhochschulen und zugleich den Verzicht auf Quoten für den vertiefenden Master. Bei den konkreten Bachelorfristen sollen sich Hamburgs Professoren mit den Kollegen der anderen Bundesländer absprechen – „damit Durchlässigkeit gewährt ist“, so die Wissenschaftsbehörde.

Stärker Einfluss nimmt Behördenpräses Dräger auf die Quotierung. Er will, dass höchstens 50 Prozent der Bachelorabsolventen weiterlernen dürfen. Zwar hat er auf eine Quote per Gesetz verzichtet. Aber finanziert werden Hamburgs Hochschulen künftig nach Absolventenzahlen. Und dabei ist der kürzere Bachelor maßgeblich.