Im Verfall

Baustelle Campus: Erstmals werden viele Gebäude der Uni grundsaniert. Zugleich sollen Außenstellen ins Zentrum ziehen. Doch jetzt droht das Geld auszugehen

Von EVA WEIKERT

Betonmischer, Pressluftbohrer, Gerüstbauer – von kontemplativer Ruhe ist auf dem Campus der Universität keine Spur. Die meisten der aus den 60er und 70er Jahren stammenden Gebäude auf dem Gelände in Rotherbaum wurden in den vergangenen 30 Jahren nie grundsaniert. Die Renovierung hat die Hochschule jetzt angepackt. Zugleich sind zahlreiche Umbauten geplant. Denn Außenstellen sollen auf den Kerncampus verlagert werden, um Flächen für die Stadt frei zu machen. Doch weil eine Investitionszusage aus der Wissenschaftsbehörde fehlt, droht der Campus zur Bauruine zu werden.

Eigentlich hatte die Uni darauf vertraut, die Behörde von Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos) würde Sanierung und Umzüge zahlen. Das kam so: Nach dem Rückzug des Bundes aus der Hochschulbauförderung hatten Behörde und Präsidium eine Analyse des Flächenbedarfs der Uni für 2012 erstellen lassen. Demnach schrumpft der Bedarf etwa durch Studienplatzabbau mit 20.000 Quadratmetern um neun Prozent. Wie Kanzler Manfred Nettekoven berichtet, hat die Uni sogar größeren Verzicht angeboten und der Senat im Gegenzug Investitionen für Sanierungen in Aussicht gestellt. Schließlich verdient er durch Entmietungen und Verkäufe.

Doch in ihrem kürzlich aufgelegten Sonderinvestitionsprogramm berücksichtigte die CDU-Regierung die Uni-Baustellen nicht. Dafür fließen Millionen in eine neue Bauhochschule im Hafen (siehe Seite 7). „Es ist kritisch zu sehen, dass an den Rändern wie Finkenau-Campus oder Bauhochschule viel passiert, aber im Zentrum der Verfallszustand herrscht“, rügt Nettekoven.

Die Sanierungs- und Umbaukosten für den Uni-Campus schätzt er auf bis zu 300 Millionen Euro. Nach dem Schock, nicht durch Sonderinvestitionen begünstigt worden zu sein, liefen jetzt aber erneut Gespräche mit Drägers Behörde. Er hoffe, so Nettekoven, „dass die Finanzierung bis Jahresende geklärt ist“. Ohne Hilfe könne die Uni ihre Baustellen nicht unterhalten. Drägers Sprecherin Sabine Neumann sagt dazu nur: „Für 2005 sind die Investitionsentscheidungen noch nicht getroffen.“

Gemäß der Flächenbedarfsstudie für 2012 verlöre die Uni 37 Gebäude oder Flächen, darunter das Curiohaus und die Sternwarte. Die Informatik in Stellingen soll den größten Abbau erbringen und ins Gebäude der Zoologen im Grindelviertel ziehen, die an ihre Außenstelle in Flottbek andocken. Freilich wäre die Uni „hochzufrieden“, so Kanzler Nettekoven, „Wissenschaftsbezüge auch geografisch zu realisieren“. Aber allein der Umzug der Informatik koste an die 35 Millionen Euro, welche die Uni nicht habe.

Woher sie die Millionen nehmen soll, um die Auflage der Wissenschaftsbehörde umzusetzen, den Brandschutz des Geomatikums zu erneuern, weiß die Uni auch nicht. Immerhin am Laufen ist die Grundsanierung des Pädagogischen Instituts, die noch ein Jahr dauern soll. Hörsaal und Foyer sollten eigentlich jetzt zu Semesterstart fertig sein, aber es wird später. „Das gibt das totale Chaos zu Semsterbeginn“, warnt der AStA. „Unzumutbar“ nennt er die Einlagerung von Teilen der Bibliothek. Zudem gebe es Klagen über Baulärm, auch aus dem Philosophenturm. Dort werden drei Aufzüge und das Treppenhaus saniert. Ruhe soll Mitte 2005 wieder einkehren. Dann soll auch der Flügel des Rechtshauses an der Rothenbaumchaussee 33 umgebaut sein, in den die Bibliotheken einziehen.

Dass erst jetzt vieles auf eine Schlag saniert wird, begründet Kanzler Nettekoven mit „Prioritätsentscheidungen des Senats“. So sei etwa der Bau der Technischen Uni Harburg nur durch „Umleitungen von Investitionsgeldern“ möglich gewesen.