Hälfte des Fußballhimmels

Irans Frauen dürfen heute Abend in Teheran das Länderspiel gegen Deutschland nicht im Stadion angucken – und der DFB, gut multikulturell, will gegen diese Aussperrung auch nicht protestieren

VON JAN FEDDERSEN

Ist schon eine ganze Generation her, aber man kann sich erinnern, wenn auch extrem ungern: 1978, bei der Fußball-WM in Argentinien, einem Land, das in jenen Jahren blutig bis terroristisch von einer Militärjunta beherrscht wurde, bekam die DFB-Auswahl in ihrem WM-Quartier Besuch. Empfangen werden musste – mit ausdrücklicher Billigung der DFB-Spitze – der frühere Fliegeroberst Rudel, einer von vielen Nazis, der in Lateinamerika nach 1945 Asyl finden konnten. Kameraden unter sich quasi, assoziierte man in jenen Jahren, als der DFB seine Hippiephase (Netzer et. al.) hinter sich hatte. Die Empörung war groß damals, und das war auch gut so.

Die gleiche Kritik verdiente eigentlich auch ein Umstand, den die DFB-Equipe auch heute Abend im Teheraner Stadion beim Länderspiel gegen den Iran wird notieren muss: Frauen werden nicht auf den Rängen sitzen, außer einigen Botschaftsmitarbeiterinnen. Denn, man weiß es, die theokratischen Regenten des Landes zwingen Frauen zum Tragen eines Kopftuchs – und nun wissen wir, dass Frauen nicht in ein Stadion dürfen, wenn sie nicht in einem eigens für sie eingerichteten Block Platz nehmen. Selbst dies wird heute nicht der Fall sein – aber der DFB hält das für kein Problem. Johannes Kandel von der Friedrich-Ebert-Stiftung erfragte per Mail eine Stellungnahme des DFB zu dieser Geschlechterapartheid.

Antwort des DFB: Er sehe in einem Länderspiel „auch die Gelegenheit zur kulturellen Verständigung“. Kulturelle Verständigung? Weshalb fährt man da überhaupt hin, wenn man es mit einem tyrannischen System von Frauenunterdrückung zu tun hat? Warum hat der DFB nicht gleich darauf bestanden, dass ein Stadion, in das Frauen bei diesem Spiel nicht hineindürfen, nicht akzeptabel ist? Weshalb hat man nicht gleich, als verständigende Geste, die DFB-Frauen mitgenommen – kopftuchlos, versteht sich. Und wenn das alles nicht gefruchtet hätte: Warum nicht die Partie absagen? Typisch DFB: Man tut so, als sei alles nicht politisch, und wird es dann doch. Denn der unter der Fuchtel stehende iranische Fußballverband hätte sich auf einen Deal eingelassen – allzu sehr verehrt man Männer wie Beckenbauer oder Klinsmann.

Nun könnte man einwenden, das Tragen des Kopftuchs sei Landessitte. Falsch, nichts gibt es in dieser Frage zu meinen: Das Kopftuch wurde von Männern gegen Frauen durchgesetzt. Das Kopftuch ist kein Accessoire, sondern ein Symbol des paternalistischen Schutzes – und der Ausgrenzung überhaupt. Erlaubt ist nur, was Männer definieren: Das könnte auch der DFB wissen.

Ein in linksalternativen Kreisen oft geäußertes Argument lautet darüber hinaus, man könne von außen gar nichts machen, außerdem sei das eben eine Frage der Kultur, eine sakrosankte sozusagen. Auch dies ist falsch, es sei denn, man relativiert umstandslos die Geltung universeller Werte, für die der Westen, so auch Deutschland, eintritt: Auch die Witwenverbrennung in Indien müsste dieser Lesart folgend akzeptiert werden.

Der DFB nimmt die Frauenfrage im Iran wie das, was sie meist auch hierzulande ist: als Nebenwiderspruch, multikulturell im Falle des Teheraner Fußballspiels gar noch aufgewertet: ein Fall für „kulturelle Verständigung“. Tatsächlich übrigens hätte die Aufmerksamkeit des DFB für solche Fragen, hätte eine härtere Verhandlungsart jenen Frauen geholfen, die im Iran gegen ihre Zwangsvermummung kämpfen. Von wem sonst sollen sie respektable Solidarität erhalten, wenn nicht von einer Delegation aus dem säkularisierten Europa? Iranerinnen sind im Übrigen berüchtigt für ihre Leidenschaft in Sachen Fußball, es soll sogar weibliche Hooligans geben: Sie müssen leider draußen bleiben, auch weil der DFB ihnen nicht zur Seite stehen wollte.