Endspurt im Bierzelt

Bei der Stuttgarter Bürgermeisterwahl wirbt der grüne Kandidat Boris Palmer mit schwäbischer Sparsamkeit

STUTTGART taz ■ Das Volksfest auf dem Cannstatter Wasen ist so recht ein Ort für den grünen Wirtschaftsstaatssekretär Rezzo Schlauch. Zweimal hat er für das Amt des Stuttgarter Oberbürgermeisters kandidiert und es 1996 beinahe gewonnen. Seine populistischen und trinkfreudigen Wahlkampfveranstaltungen wurden Legende.

Diesmal hatte Schlauch beim Wasenauftakt einen jungen Parteifreund im Schlepptau. Der 32-jährige Boris Palmer, der diesmal gegen den CDU-Amtsinhaber Wolfgang Schuster antritt, ist ein ganz anderes Kaliber. Er präsentierte sich im Wahlkampf vor allem als dynamisch, kompetent, jung. Auf dem Wasen, gab er zu, war er das erste Mal. Aber nicht nur deshalb stehen seine Chancen bei der Wahl am morgigen Sonntag nicht so gut wie einst die von Schlauch.

Die Oberbürgermeister von Stuttgart brauchen stadtväterliche Statur und haben lange Regierungszeiten. Sie spielten immer eine ganz eigene Rolle im Südwesten. Seit Manfred Rommel (CDU) sind sie eine Instanz in der Landespolitik und haben sich jenseits der Parteibücher stets den Ruf relativer Unabhängigkeit bewahrt. So kann auch der jetzige Amtsinhaber Wolfgang Schuster davon ausgehen, dass er weiterhin regieren wird.

Aber ganz sicher ist sich Schuster offenbar nicht. Er hat viel in die Waagschale geworfen, es wurde plakatiert, was das Zeug hielt, der OB tingelte mit Parteiprominenz von Angela Merkel bis Wolfgang Schäuble durch die Stadt. Die SPD-Kandidatin Ute Kumpf setzte mehr auf Personenwahlkampf und auf wenig kontroverse Themen wie Familienpolitik oder eine kindergerechte Stadt.

Zum Endspurt stachen vorsichtshalber alle drei Kandidaten publikumswirksam Fässer an. Jenseits der Festlaune aber ist das Programm der Kandidaten Schuster und Palmer höchst konträr. Der CDU-Mann setzt weiterhin auf das kränkelnde Mammutprojekt Stuttgart 21 rund um den Ausbau des Hauptbahnhofs. Bei aufwändigen Hochhausprojekten oder der gescheiterten Olympiabewerbung musste Schuster in seiner achtjährigen Amtszeit empfindliche Schlappen hinnehmen.

Palmer hält es dagegen mit schwäbischer Sparsamkeit. Er glaubt, die Mehrheit der Stuttgarter würde auf den teuren Stadtumbau lieber verzichten. Scheiterte Beinahe-Bürgermeister Schlauch 1996 im 2. Wahlgang an der Verweigerungshaltung der SPD, so bekommt Nachfolger Boris Palmer schon im ersten Durchgang Probleme mit einem unliebsamen Konkurrenten. Der parteilose Friedensaktivist Henning Zierock (53) könnte die Stimmen enttäuschter Grünen-Wähler gewinnen.

Allerdings wird die grüne Nachwuchshoffnung Palmer am Sonntag allemal besser abschneiden als einst sein Vater. Der Obstbauer Helmut Palmer, als „Remstalrebell“ bundesweit bekannt geworden, trat im Schwäbischen bereits bei hunderten von Bürgermeisterwahlen an. In Stuttgart lag sein bestes Ergebnis 1974 bei 2,7 Prozent.

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