Teilweise Aufbruchstimmung

Bei seinem Debüt als HSV-Trainer wird Klaus Toppmöller von einem Österreicher geärgert: Ausgerechnet Jara-Landsmann Eddi Glieder erzielt den glücklichen Ausgleich für Schalke

aus Hamburg OKE GÖTTLICH

Wechsel können häufig überraschende Wendungen mit sich bringen. Beim 2:2 des HSV gegen Schalke konnte somit gleich jeder Impuls auf einen Wechsel zurückgeführt werden. Dabei war nicht allein der Trainertausch des HSV unter der Woche entscheidend. Klaus Toppmöller löste den Tiroler Kurt Jara ab, und nicht nur die Fans warteten gespannt darauf, was „zwei Trainingseinheiten, schlaflose Nächte und viele Einzelgespräche“ (Klaus Toppmöller) zum erwünschten Erfolg des HSV beitragen könnten.

„Die Körpersprache der Spieler stimmte einfach nicht mehr“, lautete eine vielerseits belächelte Erklärung des Sportdirektors Dietmar Beiersdorfer für den kompromisslosen Trainerwechsel an der Elbe. Im Anschluss an das Spiel musste die Integration der Soft-Skill-Analyse bei sportlichen Führungspersonen in Fußballvereinen wenigstens akzeptiert werden. Tatsächlich passierte durch den Verzicht auf den unter Jara immer präsenten zweiten defensiven Mittelfeldspieler etwas erwünscht Unverhofftes: Nicht nur taktisch trat der HSV mit einem zusätzlichen Offensivspieler forscher auf, sondern: „Die Spieler haben sich auf dem Platz gezeigt, sind selbstbewusster aufgetreten und haben zumindest in der ersten Halbzeit teilweise Aufbruchstimmung erkennen lassen“, so der Körpersprachen-Experte des HSV.

Zu diesem Zeitpunkt führte der HSV mit 1:0. Direkt beteiligt waren jene Spieler, die unter Kurt Jara einen schwierigen Stand hatten: Der wechselhafte Jungnationalspieler des HSV, Christian Rahn, brachte nach verunglücktem Freistoß den zweiten Flankenversuch an den Fünfmeterraum, wo der zuletzt ebenfalls auf der Bank sitzende argentinische Stürmer Bernardo Romeo den Trick zeigte, den er zum 2:0 (68.) wiederholte: Mit der Brust lenkte er den Ball um seine wechselnden Gegenspieler und kam so frei zum Schuss – und zu zwei Toren.

Staffetten, die, addiert mit den zusätzlichen Chancen des HSV, den Eindruck bestärkten, den einige Spieler hübsch mit den Worten „Wir haben wieder mehr Fußball gespielt“ beschrieben. Gemeint war vor allem der Verzicht auf ideenlose lange Bälle, die sich in den vergangenen Wochen der Verunsicherung besonderer Beliebtheit erfreuten. Solange der Ball möglichst weit vom porösen Viererverbund in Hamburgs Abwehr entfernt gewesen ist, herrschte Erleichterung auf und um den Platz.

Auch Klaus Toppmöller sollte dieses Gefühl direkt kennen lernen. Verletzungsbedingt verstärkte Toppmöller diesen Thrill, indem er den viererkettenungeübten Raphael Wicky für Bernd Hollerbach brachte und den starken Sergej Barbarez für Kurt Jaras „Königstransfer“ Stefan Beinlich aus dem Spiel nahm. Zu sehen bekam der Neu-Trainer nun etwas, was ihn in den kommenden Tagen besonders beschäftigen wird, „um die dummen Fehler abzustellen“. Gemeint war die Zuordnung in der HSV-Abwehr, die den Schalkern zum glücklichen Ausgleich verhalf. HSV-Ersatztorhüter Stefan Wächter faustete am Ball vorbei, der dem Schalker Mattellan vor die Füße fiel, der zum 2:1 abschloss. Mit dem Gegentor änderte sich nun die Körpersprache des HSV. Zu sehen war wieder das Team, das in der Stadionzeitschrift als „Mannschaft des Jara“ vorgestellt wurde.

Mit aufkommender Nervosität „verlor die Mannschaft den Faden“, ärgerte sich Klaus Toppmöller später über vergebene Chancen zum 3:0. Die überhebliche Selbstzufriedenheit, die sich nach dem 2:0 in das Spiel des HSV schlich, wurde wiederum ausgerechnet durch einen Landsmann von Extrainer Kurt Jara bestraft: Schalke-Trainer Jupp Heynckes nutzte die letzte Möglichkeit, so etwas wie einen Sturm einzuwechseln, nach dem Victor Agali und Ebbe Sand reichlich ideenlos über den Platz gestakst waren – und brachte Eddi Glieder. In der 90. Minute stocherte der den Ball zum 2:2 ins Hamburger Tor.

Die wankelmütige Leistung des HSV setzte sich nach dem Spiel auch im Umgang mit den Hamburger Medien fort. Während einige Spieler mit einem selbst auferlegten Interviewverbot den unseriösen Umgang mit Excoach Kurt Jara kritisierten, erklärten andere ihre Sicht der Dinge. Immerhin konnte am Ende der Woche eine echte Lüge beim HSV entlarvt werden. Die Bitte um eine kurze Antwort wiegelte Raphael Wicky mit den Worten ab: „Das Sprechen habe ich verlernt.“

Hamburger SV: Wächter - Schlicke, Hoogma, Ujfalusi, Hollerbach (52. Wicky) - Maltritz, Jarolim, Rahn - Mahdavikia, Romeo (73. Takahara), Barbarez (59. Beinlich)Schalke 04: Rost - Alcides, Waldoch, Matellan, Kobiaschwili - Pinto, Poulsen, Rodriguez, - Asamoah (67. Trojan) - Agali (65. Glieder), Sand (63. Hanke)Zuschauer: 55.386; Tore: 1:0 Romeo (29.), 2:0 Romeo (68.), 2:1 Matellan (73.), 2:2 Glieder (90.)